Kostenlos Wissen tauschen

Seit 1989 führt die Hamburger Wissensbörse Wissenshungrige auf verschiedenen Gebieten zusammen. Seit kurzem ist sie im Internet vertreten, doch das hat nicht nur positive Folgen. Weiterhin am beliebtesten sind Sprachen, Sport und Musik

von MAREN SCHULTZ

Gerade mal zwei Schreibtische passen in das kleine Büro. Wer sich die Hamburger Wissensbörse in einem modernen, großen Büroraum vorgestellt hat, liegt falsch. Von zwei Computern und Telefonen im Gebäude der Volkshochschule aus stellen Barbara Kirsch und ihre zehn ehrenamtlichen MitarbeiterInnen seit 18 Jahren Kontakte „Wissenshungriger“ in Hamburg her. Auf die Idee, die Wissensbörse zu gründen, kam Kirsch im Jahr 1989, weil ihr der ständige Weiterbildungsdruck gegen den Strich ging. „Ich dachte es wäre Zeit, auch einmal etwas weiterzugeben und nicht immer nur lernen zu müssen.“

Als „einfache Möglichkeit, sich Alltagswissen zu beschaffen“ bezeichnet Kirsch die Wissensbörse. Tatsächlich ist das Prinzip simpel: Wer ein Gesuch oder Angebot aufgeben möchte, wendet sich an die Wissensbörse – entweder per Telefon, Fax oder mittlerweile auch übers Internet. Die „Anzeige“ erscheint dann im nächsten Börsenbrief und steht außerdem für vier Wochen auf der Homepage der Wissensbörse. Meldet sich jemand auf die Anzeige, vermittelt die Wissensbörse den Kontakt. Alles Weitere bleibt den zukünftigen „Lernpartnern“ überlassen.

Wichtig ist, dass ein Gesuch nicht an ein Gebot gekoppelt ist. Wer also etwas Neues lernen möchte, muss nicht auch selbst etwas vermitteln wollen. „Im Idealfall finden sich jedoch Lernpartner, die sich gegenseitig etwas beibringen“, sagt Kirsch. So könne man zum Beispiel beim gemeinsamen Kochen gleichzeitig eine neue Sprache lernen. Viel häufiger sei aber, dass sich Gruppen finden, die zusammen etwas „lernen“.

Die häufigsten Anzeigen drehen sich um das Thema Sprachen, aber beliebte Kategorien sind auch Sport und Musik. „Englisch und Französisch sind fast genauso gefragt wie Russisch, Chinesisch, Persisch oder Arabisch“, sagt Gila Hamelmann, die seit einigen Jahren bei der Wissensbörse arbeitet. Sie selbst hat darüber auch schon Kontakte geknüpft, die sie bis heute aufrecht erhält. „Oft entwickeln sich durch die Lernpartnerschaften auch Freundschaften, die sich dann Jahre halten“, sagt Hamelmann. Es sei natürlich nicht jede Vermittlung erfolgreich, oft lösten sich die Gruppen schon nach kurzer Zeit wieder auf.

Auch ausgefallene und skurrile Gesuche hat es schon gegeben: Über die Wissensbörse haben Menschen gar schon in einer Clown- und Jodelschule zusammengefunden. „Ein älterer Herr hatte seine Memoiren in Sütterlin geschrieben und suchte jemanden, der sie ihm übersetzen könnte. Und tatsächlich haben sich unzählige Leute gefunden, die ihm geholfen haben“, erzählt Kirsch.

Manche Anzeigen müssen die MitarbeiterInnen der Wissensbörse allerdings auch ablehnen. „Es steht immer die Vermittlung von Wissen im Vordergrund“, betont Kirsch. „Dadurch heben wir uns von anderen Kontaktbörsen deutlich ab.“ Wer also nur jemanden zum „Klönen“ sucht, ist hier nicht richtig. Professionelle Angebote oder Gesuche kann die Wissensbörse ebenfalls nicht annehmen.

Natürlich ist die Arbeit für die MitarbeiterInnen nun, mit der eigenen Homepage, etwas leichter geworden. „In den Anfangszeiten hatten wir noch gar keine Computer“, erinnert sich Barbara Kirsch. „Es gab einen Karteikasten mit den Adressen, der Rest lief über Telefon, Post und persönliche Besuche.“ Und die Anzeigen erschienen ausschließlich im monatlichen Börsenbrief, der auch heute noch in den Hamburger Bücherhallen ausliegt.

Mittlerweile ist auch die Wissensbörse im digitalen Zeitalter angekommen und hat eine elektronische Datenbank aller Anzeigen, der Börsenbrief kann auf der Homepage der Wissensbörse heruntergeladen werden. „Durch die Datenbank können Menschen, die etwas ganz bestimmtes suchen, auch auf Anzeigen zurückgreifen, die bereits vor längerer Zeit erschienen sind“, sagt Christophe Desplanques, der Kirsch und ihre MitarbeiterInnen vor allem in Computerfragen unterstützt.

Doch auch eine negative Entwicklung hat Kirsch im Zusammenhang mit dem Internetauftritt festgestellt. „Seit etwa einem halben Jahr gibt es deutlich mehr Gesuche als Angebote“, bedauert Kirsch. Das hänge vermutlich mit der Mentalität der Internetnutzer zusammen. „Die Leute sind es gewöhnt, übers Internet alles zu bekommen, was sie wollen.“ Außerdem hätten wohl auch immer weniger Leute Zeit und Lust, anderen etwas beizubringen, ohne selbst einen Nutzen davon zu haben.

Zurzeit gehen bei der Wissensbörse etwa 50 Anzeigentexte pro Monat ein, ungefähr 120 Vermittlungen kommen zustande. Das ist natürlich noch steigerbar: Zwischen 60 und 100 Anzeigen monatlich wünscht sich Barbara Kirsch.

Die Wissensbörse findet sich im Internet unter www.wissensboerse-hamburg.de und ist ansonsten unter ☎ 890 72 58 erreichbar