Konzern mit Zukunft ohne Mitarbeiter

Massenproteste bei Airbus am Aktionstag gegen drohenden Stellenabbau und Werksschließungen in Norddeutschland. Die 24.500 Beschäftigten wollen nicht für die Fehler des Managements büßen, werden es aber wahrscheinlich müssen

Von Sven-Michael Veit

Ein guter Tag sieht anders aus für Gerhard Puttfarcken, und das nicht nur wegen des trüben Nieselregens. „Niemand kann gelassen bleiben“ ob der täglichen Gerüchte aus dem Airbus-Konzern über Sparpläne, Stellenabbau und Werksschließungen, räumt der Deutschland-Chef des Flugzeugbauers ein. „Auch uns geht das unter die Haut“, versichert er seinen fast 12.000 Mitarbeitern. Und die sind vollzählig angetreten zum Protest vor dem Werkstor in Hamburg-Finkenwerder.

Noch mal genauso viele demonstrierten gestern Vormittag an drei weiteren Airbus-Standorten für ihre Arbeitsplätze. In Bremen (siehe unten), im baden-württembergischen Laupheim und – zentral für die vier niedersächsischen Werke – im ostfriesischen Varel. „24.500 Menschen“, jubelt die IG Metall Küste, seien ihrem Aufruf zum Airbus-Aktionstag gefolgt. Das sei „ein klares Signal“, freut sich Gewerkschaftschefin Jutta Blankau: „Wir streiten für unsere Zukunft.“

Mit dabei sind natürlich die örtlichen Politgrößen, die allesamt ihre Wahlkämpfe vor Augen haben. Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) in Bremen, wo im Mai gewählt wird, in Varel Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), der in einem Jahr im Amt bestätigt werden will, und in Hamburg, wo im Februar 2008 ebenfalls gewählt wird, CDU-Wirtschaftssenator Gunnar Uldall – alle behaupten voller Kampfeswillen, „an der Seite der Mitarbeiter zu stehen“. Was sonst sollen sie auch sagen.

„Wir als Mitarbeiter haben keine Fehler gemacht“, weist Rüdiger Lütjen, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates aller deutschen Airbus-Werke, in Hamburg die Schuld der Chefetage zu. „Die Erfolge der vergangenen Jahre haben das Management geblendet“, sagt sein Stellvertreter Thomas Busch zum gleichen Zeitpunkt in Varel. Das sei „nicht zu leugnen“, bekennt selbst Puttfarcken und erhält mitten im wütenden Pfeifkonzert wenigstens ein einziges Mal Beifall.

Lütjen hat es da einfacher, wenn er es „unanständig“ nennt, dass der deutsch-französische Weltkonzern „seit sechs Monaten nicht in der Lage ist, seinen Mitarbeitern eine Perspektive zu zeigen“. Und er macht es sich zu einfach, wenn der wiederholt, was er schon im Oktober erklärte, als die Technik- und Lieferprobleme beim Riesenjet A 380 Airbus in die Krise stürzten: „Der Glaube, alles aus Toulouse regeln zu können, hat sich als großer Irrtum erwiesen.“

Denn genau das scheint die Linie zu sein, welche die Chefs von Airbus und der Konzernmutter EADS verfolgen. Die Verlagerung von Arbeitspaketen aus Bremen nach Großbritannien und von Hamburg nach Spanien wird in einem internen Papier skizziert, das gestern bekannt wurde. Die Konzentrierung des neuen Flugzeugs A 350 in Toulouse wird dort ebenso empfohlen wie die Endmontage und Auslieferung des weltgrößten Prestigefliegers A 380 (Kasten rechts) im dortigen Zentralwerk.

Damit würden die Schlüsseltechnologien nach Frankreich verlagert und alle norddeutschen Werke, die nicht geschlossen werden, von künftigen Entwicklungen abgekoppelt. Und die so heftig umstrittene Erweiterung der deutschen Hauptwerks in Hamburg auf Kosten des Stadtstaates wäre überflüssig gewesen.

Hoffnung begründet allerdings noch ein Werksranking, das in dem Strategiepapier enthalten ist. Danach gelten Bremen und Hamburg als die weitaus produktivsten Standorte in ganz Europa (Kasten links) mit weitem Vorsprung vor Toulouse. Das liegt in etwa gleichauf mit den anderen norddeutschen Werken, nur die kleinste Filiale in Buxtehude kommt als Schlusslicht schlecht weg.

Weder Puttfarcken noch gar seine Vorgesetzten in Toulouse konkretisierten gestern das Sparprogramm „Power 08“, das in drei Wochen veröffentlicht werden soll. Bekannt ist nur das grobe Einsparvolumen: Vier Jahre lang je zwei Milliarden Euro. Und das Ziel: Airbus wieder zu einem „Konzern mit Zukunft“ zu machen, „der auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig ist“. Und das bedeutet erfahrungsgemäß weniger Außenstellen, weniger Mitarbeiter, höhere Effizienz und „schlankere“ Strukturen.

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