Das ferne Podest

Die deutschen Alpinen starten mit geringen Erwartungen in die Ski-WM. Medaillen wären eine große Überraschung

Im mittelschwedischen Jämtland ist es eher beschaulich, man trifft dort im Winter mehr Rentiere als Menschen. Eine Ausnahme ist das kleine Are an der Schwelle zum Lappland, das sich in den vergangenen Jahren zu einem mondänen Wintersportort gemausert hat. Für die am Samstag beginnende alpine Ski-WM erwarten die Veranstalter insgesamt 100.000 Besucher und „eine großartige Skiparty“.

Der Deutsche Skiverband reist nicht mit großen Erwartungen an. Sportdirektor Wolfgang Maier hat schon zu Beginn des Winters verkündet, dass er von Medaillenvorgaben Abstand nehmen wolle und Platzierungen unter den besten fünf als Ziel ausgebe. Der Winter hat sich dann zwar gar nicht so schlecht entwickelt, immerhin gab es schon vier Podestplätze, aber der Sportdirektor rückt deshalb nicht ab von seiner vorsichtigen Vorgabe. „Ich setze doch die Mannschaft nicht unter Druck, nur damit ich die Öffentlichkeit beruhige.“

Es ist das Jahr des Umbruchs nach dem Generationswechsel. Vor allem bei den Frauen. Für die Älteren wie Annemarie Gerg und Petra Haltmayr werden diese Titelkämpfe der letzte Höhepunkt ihrer Karriere sein. Annemarie Gerg wurde zwar im Dezember schon einmal Zweite, aber sie kämpft ständig mit Knieproblemen und ist nicht zum engeren Kreis der Medaillenanwärterinnen im Slalom zu zählen.

Maria Riesch hätte für einen fließenderen Übergang von einer Generation in die nächste sorgen sollen, aber es ist alles anders gekommen. Die 22-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen hat zwar gleich die erste Abfahrt des Winters gewonnen, aber ein Fingerzeig war dieser Glücksfall in den kanadischen Rocky Mountains nicht. Denn das Podest ist für Maria Riesch derzeit weit entfernt. „Den letzten kleinen Schritt kann ich momentan noch nicht machen“, sagt sie. Vermutlich auch in Are noch nicht. Die WM kommt ein Jahr zu früh. Oder zwei zu spät. Die Saison 2003/2004 war ihre Saison gewesen, mit drei Siegen in drei Disziplinen. Dann kamen zwei Kreuzbandrisse, die sie um die WM in Bormio und die Olympische Spiele in Turin brachten. In der Form von vor zwei Jahren würde sie zu den ganz großen Medaillenfavoritinnen zählen, jetzt, sagt Maier, „gehört sie ganz klar nicht dazu“.

Die deutschen Männer hinken seit Jahren den Frauen hinterher. Die größten Hoffnungen ruhen auf den beiden Slalomfahrern Alois Vogl und Felix Neureuther. Und mit dem jungen Stephan Keppler taucht endlich einmal wieder ein Abfahrer mit Perspektive auf. Allerdings sagt die Quote bei der Weltmeisterschaft viel über das Kräfteverhältnis aus: Sieben Frauen haben die Qualifikationskriterien erfüllt, aber nur drei Männer.

ELISABETH SCHLAMMERL