„Interaktion verändert sich“

TAGUNG Wissenschaftler mehrerer Richtungen beleuchten den „Erfahrungsraum Kino“

■ 50, ist seit 2011 Professor für Medienwissenschaft mit Schwerpunkt Film und Fernsehen an der Universität Hamburg

taz: Herr Weber, wer genau ist das Netzwerk „Erfahrungsraum Kino“, das die heute startende Tagung organisiert?

Thomas Weber: Wir sind eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern verschiedener Disziplinen und erforschen Erfahrungen, die mit Kino zusammenhängen. Dabei haben wir uns auf drei Aspekte konzentriert. Das ist einmal der räumliche, bei dem es um Architektur und das kollektive Kino-Erlebnis geht. Zum anderen die Veränderung des Kinos durch die Digitalisierung. Und schließlich die ästhetische Erfahrung und die Art, wie Filme beim Zuschauer ankommen, wie sich kollektive Symboliken einschreiben.

Was denn für kollektive Symboliken?

Das betrifft die Art, wie sich Darstellungskonzepte verändert haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg zum Beispiel erzählte das Kino plötzlich nicht mehr nur Geschichten, sondern auch Perspektiven. Es zeigte, wie Personen, Figuren untereinander interagieren, wie sie aufeinander reagieren: Die Innensichten der Menschen wurden wichtiger, und das betraf auch kollektive historische Ereignisse wie Kriege. Es reichte nicht mehr, sie einfach nur darzustellen, sondern es mussten individualisierte Geschichten sein.

Das Kino selbst diente auch als Propaganda- und Interaktionsraum.

Ja, der Kinoraum wurde auch genutzt, um andere Formen von Öffentlichkeit herzustellen, andere Themen zu diskutieren, die in den normalen Massenmedien nicht abgehandelt wurden.

Zum Beispiel?

Oft ging es um politische Themen, aber auch um kulturelle, sexuelle, religiöse Selbstfindung. Gerade im Dokumentarfilm war diese Form unmittelbarer Öffentlichkeit sehr wichtig, weshalb Filmemacher versuchten, einen direkten Kontakt zum Publikum herzustellen. Rahmen dieses Dialogs waren Festivals und Spezialaufführungen.

Ist dieser Dialog heute vorbei?

Nein, er wandert nur teilweise in andere Bereiche. Der Film wird heute meist nicht mehr im Multiplex-Kino um die Ecke vorgeführt, sondern im Internet – in kleineren Foren, für ein spezialisiertes Publikum. Die andere Variante sind Festivals und Events. INTERVIEW: PS

Tagung „Cinematic Space“: 12 Uhr, Edmund-Siemers-Allee 1, Westflügel, Raum 221

Programm: http://necs.org/node/103705