Eine Lehre fürs Leben

GEWINNER Mit einem 3:1 in München beweist Borussia Dortmund, dass sie nicht nur der kommende Meister, sondern auch die beste deutsche Mannschaft ist – da wollen selbst die Bayern nicht mehr widersprechen

Der BVB: beste Abwehr, bester Sturm, das jüngste Team und der coolste Trainer

AUS MÜNCHEN THOMAS BECKER

Kevin Großkreutz, dieses zum direkten Wort neigende Frisurenereignis, konnte sehr stringent erklären, warum Borussia Dortmund dieses epochale Fußballspiel in München 3:1 gewonnen hatte: „Weil wir ein Team sind, nicht viel erzählen und einfach unser Ding durchziehen.“ Alles korrekt, bis auf den Mittelteil: Vor dem Spitzenspiel hatte Großkreutz schlagzeilentauglich getönt: „Die Bayern sind fällig.“ Nach dem Spiel meinte er: „Ja, da hatte ich eine große Klappe und was dahinter.“ Wohl wahr: Wie er vor dem 0:1 in der neunten Minute Bastian Schweinsteiger den Ball stiebitzte, unwiderstehlich Richtung Tor zog und in höchstem Tempo perfekt in den Laufweg des Kollegen Barrios passte, das war grandios, hatte große Klasse. Meisterklasse.

Auch wenn BVB-Coach Jürgen Klopp meinte, das mit der Meisterschaft sei ihm gerade völlig wurscht, so steht nach dem 24. Spieltag doch dieser Satz von Bayernboss Karl-Heinz Rummenigge: „Es ist eigentlich sicher, dass Dortmund Deutscher Meister ist.“

Rummenigge hat recht. Auf Dortmund als Meister zu tippen ist etwa so originell wie zu prophezeien, dass morgen wieder ein neuer Tag ist. Die Superlative zum BVB quellen ja über: beste Abwehr, bester Sturm, beste Auswärtsmannschaft, die meisten Zuschauer, das jüngste Team – und den coolsten Trainer. Natürlich waren Jürgen Klopp die kaputte Brille und die nicht ungefährliche Schnittwunde knapp unterhalb des Auges nach dem Schlusspfiffjubel so egal, wie der berühmte Sack Reis egal ist, der in China umfällt. Doch wenn in zehn Spieltagen die Schale überreicht wird, dann ist Klopp endgültig der Meisterbauer, der Konstrukteur und Arrangeur der begeisterndsten Bundesligamannschaft der letzten Jahre. Ex-Bayern-Torhüter Oliver Kahn meinte: „Das hat man in der Bundesliga selten gesehen, dass eine Mannschaft mit so vielen jungen Talenten so konstant spielt.“

Die Eindeutigkeit der Verhältnisse lässt sich mit ein paar banalen Zahlen veranschaulichen. Anzahl der gewonnenen Zweikämpfe der Innenverteidiger Holger Badstuber und Anatoli Timoschtschuk bis zur 35. Minute: 0. Torschüsse von Arjen Robben im gesamten Spiel: 0. Bayern-Torchancen in der zweiten Halbzeit bis zur 75. Minute: 0. Gehaltene Torschüsse des jungen australischen BVB-Torstehers Mitchell Langerak, der den Stammkeeper Weidenfeller ersetzen musste: 3. Und das bei einem Bayern-Ballbesitz von nahezu 70 Prozent.

Dass Klopp nicht nur was vom Fußball versteht, sondern auch gut vor Kameras reden kann, ist bekannt – und doch immer wieder schön. Große Erleichterung verspüre er nach dem 3:1, erklang es aus seinem Meister-Räuberbart, er freue sich sehr für die Mannschaft, denn: „Das war auch eine Lehre fürs Leben.“ Dass die Spieler nach Sahins 2:1 den Weg zu ihm suchten, kam ihm zupass: „Ich jubele ja gerne. Und wenn die Jungs dann in der Nähe sind, ist das sehr schön. Ich komme da ja nicht mehr so oft hin.“

Auch die Bayern kamen nicht so oft hin an die Dortmunder Gegenspieler, weder beim 0:1 von Barrios noch beim Sahin-Schlenzer zum 1:2 noch beim finalen Kopfballtreffer von Mats Hummels. Letzterer spielte schon als Siebenjähriger im Bayerndress, war den Bayerntrainern Hitzfeld und Klinsmann dann aber nicht gut genug und erblühte schließlich unter Klopp zum derzeit wohl besten Innenverteidiger der Liga. Hummels, dessen Bruder bei der SpVgg Unterhaching spielt und dessen Vater Scout beim FC Bayern ist, sagte ohne einen Funken Genugtuung in der Stimme: „Das war das schönste Tor, das ich bisher gemacht habe.“ Zur verbalen Bayern-Offensive vor der Partie meinte er nur: „Wir wollten nicht groß anstacheln, sondern zeigen, dass wir die beste deutsche Mannschaft sind. Das haben wir heute bewiesen.“ Kein Widerspruch, nirgends.