China ist nicht nur Kultur(-wochen)

■ Der chinesische Bürgerrechtler Wei Jingsheng ist seit 1994 verschwunden

China ist zur Zeit in aller Munde. Allerorten wird im Zuge der Weltfrauenkonferenz und dem Zustandekommen neuer Wirtschaftsabkommen die außen- und besonders innenpolitische Lage der Volksrepublik diskutiert. Darüberhinaus wird Hamburgs Kulturleben in den nächsten Wochen durch die Chinesischen Kulturwochen, an denen sich diverse Kulturinstitute vom Metropolis bis zum Völkerkundemuseum beteiligen, geprägt sein.

So bot sich die Stunde für die in Hamburg lebende chinesische Malerin Wei Shan Shan, um mit Unterstützung der Organisation Internationale Vereinigung zur Verteidigung verfolgter Künstler, AIDA, auf das Schicksal ihres Bruders, des Bürgerrechtlers Wei Jingsheng aufmerksam zu machen. Er gilt als „Vater der Demokratiebewegung“ in China.

1979 hatte er in der von ihm herausgegebenen Untergrundzeitschrift Tansuo (Nachforschung) neben der von der Regierung in Aussicht gestellten Modernisierung von Industrie, Landwirtschaft, Militär und Wissenschaft die „fünfte Modernisierung“ gefordert – Demokratie. In dem darauffolgenden Prozeß wurde ihm von der Regierung „konterrevolutionäre Propaganda“ und „Landesverrat“ vorgeworfen und Wei wurde mit 15jähriger Internierung in Arbeitslagern und Einzelhaft bestraft.

Im September 1993 kam er, ein halbes Jahr früher als vorgesehen, frei, stand aber unter polizeilicher Beobachtung. Da er sich weiterhin für die Demokratiebewegung und die Einhaltung der Menschenrechte in China einsetzte, war ihm das Leben in Freiheit nur kurze Zeit vergönnt. Im April 1994 wurde Wei Jingsheng während einer Autofahrt außerhalb Pekings von der Polizei gekidnappt und ist seitdem verschwunden. Wegen widerrechtlicher Freiheitsberaubung erstattete die Familie Wei dieses Jahr Anzeigen gegen die chinesische Regierung – verstößt diese doch mit der Art ihres Vorgehens gegen eigenes geltendes Recht.

Wei Jingsheng wurde in den letzten Jahren von internationalen Organisationen für sein Engagement ausgezeichnet und für den diesjährigen Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Damit wurde sein Schicksal zwar einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, seine Familie ist dennoch bis heute ohne jegliche Reaktion seitens der chinesischen Behörden. Seine in Deutschland lebende Schwester hofft, daß sich Bundesfrauenministerin Claudia Nolte als Vertreterin Deutschlands auf der UN-Frauenkonferenz für Wei einsetzen wird.

In Hamburg finden während der China-Wochen, veranstaltet unter anderem von der GAL, AIDA und der Tibetinitiative, Ausstellungen und Demonstrationen über die chinesische Demokratiebewegung statt.

Petra Langemeyer