„Zwischen den Grünen und dem konservativen Weiter-so“

■ Der frühere SPD-Fraktionssprecher in NRW, Friedhelm Farthmann, bescheinigt seiner Partei Orientierungslosigkeit

taz: Der zurückgetretene Uwe Jens sagt, die Traditionalisten in der SPD verhinderten eine moderne Wirtschaftspolitik. Was ist ein sozialdemokratischer Traditionalist?

Friedhelm Farthmann: Für mich sind das Sozialdemokraten, die gewerkschaftliche und sozialpolitische Positionen zum Kernbereich der Sozialdemokratie zählen.

Die im Seeheimer Kreis organisierten Sozialdemokraten galten als die Mustertraditionalisten. Jetzt zählen sie zu den Anhängern von Schröder, mit dem sich Jens ja einig ist. Wie paßt das zusammen?

Daran zeigt sich im Grunde, daß die bisherige Grenzziehung zwischen Traditionalisten und etwa den Linksliberalen nicht mehr stimmt. Das Entscheidende zur Kennzeichnung der Situation der SPD ist ihre inhaltliche Zerrissenheit und Verunsicherung. In dieser Orientierungslosigkeit liegt die eigentliche Ursache für alle Personalquerelen. Selbst der klügste, durchsetzungsfähigste Vorsitzende wäre heute nicht in der Lage, diese innere Zerrissenheit zu überbrücken. Das zeigt sich besonders auf dem Felde der Wirtschaftspolitik.

Was könnte die Therapie sein?

Klar ist, mit der ordoliberalen Wirtschaftspolitik, wie sie die CDU betreibt, fahren wir in den Industriestaaten vor die Wand. Wir müssen die ökologischen Begrenzungen unserer Ressourcen in eine neue Wirtschaftspolitik einbetten, ohne dem Bürokratismus, der von seiten der Grünen propagiert wird, zu verfallen. Deren Politik des bürokratischen Interventionismus über Quotierungen und dergleichen führt auch in die Irre.

Ihr Parteifreund Christoph Zöpel hat davon gesprochen, daß mit dem Auftreten der Grünen der SPD eine ganze Generation weggebrochen sei. Die gewinnen sie doch nicht durch diese Art Abgrenzung zurück?

Wir erleben jetzt, daß sich die mittlere Führungsgeneration der SPD das Tempo von den Grünen diktieren läßt. Wir liefern die Wählermassen, und die Grünen machen das Tempo, und ein Teil der SPD springt auf diesen Dampfer. Davor kann ich nur warnen. Das macht die SPD kaputt. Wir müssen selbst die SPD als eine linke Volkspartei neu definieren. Dazu gehört ein neues Verhältnis zur Wirtschaftspolitik. Es geht darum, kollektive Sicherheitsinteressen der Menschen mit dem Hang zur Individualisierung zu verbinden.

Muß die SPD nicht davon ausgehen, daß sie die Grünen nicht mehr wegkriegt?

Mein Problem ist nicht, die wegzukriegen, sondern es kommt darauf an, daß die uns nicht Stimmen wegnehmen. Die werden immer diejenigen binden, die sozusagen mit lila Rucksack durch die Welt marschieren. Diese Exoten bleiben bei den Grünen. Wenn wir aber versuchen, die Grünen zu imitieren, werden sich unsere Stammwähler, die kleinen Leute, die bürgerlich, eher konservativ denken, von uns abwenden.

Fehlt es der SPD nicht am profilierten Streit? Am stärksten war sie, als es um die neue Ostpolitik ging. Wenn Sie sich jetzt in der Wirtschaftspolitik der CDU weiter annähern wollen ...

Das Gegenteil ist der Fall. Die CDU will maximales Wirtschaftswachstum. Ich plädiere für eine neue Verzichtsethik. Das heißt auch Abschied nehmen von den ritualisierten Tarifauseinandersetzungen und dem Glauben an ewige Zuwächse. Ich bin auch der Meinung, daß wir unser Profil gegenüber der CDU schärfen müssen, aber dabei dürfen wir nicht auf die Technikfeindlichkeit und den Bürokratismus der Grünen einschwenken. Genau zwischen den Grünen und dem konservativen Weiter-so ist unser Platz. Interview: Walter Jakobs