Rechtsradikale an „Runden Tischen“

■ Szene startet zahlreiche Initiativen, um die „rechte Zwietracht“ zu beenden

Düsseldorf (taz) – Rechtsradikale aller Schattierungen sind dabei, eine „starke und zukunftsorientierte Rechtspartei“ zu formieren. Überall in Deutschland laufen zur Zeit Gespräche an sogenannten „Runden Tischen“, um die „rechten Querelen zu beenden“.

Geboren wurde die Idee in Thüringen. Das dortige Landespräsidium der Reps brachte im Juni dieses Jahres unter anderem Funktionäre der Deutschen Volksunion (DVU), der Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH), DSU, Aufbruch '94 und der NPD mit dem Ziel zusammen, das kommende Jahr für die rechte Szene zu einem „Jahr der Versöhnung, Öffnung und Erneuerung“ zu machen. An das „Eisenacher Signal“ der Thüringer Rechtsradikalen knüpften in NRW der Landesvorsitzende der DLVH, Markus Beisicht, und der DLVH-Funktionär und Europa vorn-Herausgeber Manfred Rouhs an.

In NRW existiert inzwischen ein Koordinierungsausschuß, dem ein Mitglied der Reps ebenso angehört wie ein Vertreter der „Freiheitlichen“, eine Abspaltung der Schönhuber-Partei. Der geschaßte frühere Rep-Parteichef selbst, der einst als Vorsitzender mit Abgrenzungsbeschlüssen zu Rechtsextremisten und neonazistischen Organisationen für Schlagzeilen sorgte, beklagt inzwischen in rechtsextremistischen Publikationen wie Europa vorn den „Abgrenzungsvirus“, der die Rechte insgesamt geschwächt habe. Während die DLVH und ihr Vorsitzender Beisicht, ehemals ein Zögling von Schönhuber bei den Reps, die Einigungsversuche „ohne Vorbedingungen“ unterstützen, hat sich der Rep-Bundesvorstand von den Runden Tischen distanziert. Man lehne „weiterhin jede Annäherung, jede Absprache oder jede andere Form von Zusammenarbeit mit Parteien oder Gruppierungen“ der „alten Rechten“ ab. Doch um solche Vorstandsdirektiven scheren sich viele Rep-Mitglieder schon lange nicht mehr.

Ein Abgrenzungsbeschluß zu den Runden Tischen liegt auch vom DVU-Bundesparteitag am 15. Juli 1995 vor. Doch ähnlich wie bei den Reps kümmert das die Basis nicht sonderlich. Für den DVU- Beauftragten im Kreis Rhein-Sieg, Andreas Klein, sind die Runden Tische etwas „absolut Positives“. Er selbst werde daran „im Rahmen meiner Möglichkeiten teilnehmen“.

Über mangelnden Zulauf können sich die Organisatoren der Runden Tische bisher nicht beschweren. Beim zweiten Treffen in NRW kamen am 2. September in Pulheim schon 150 Vertreter rechtsradikaler Parteien zusammen. In der verabschiedeten „Pulheimer Erklärung“ ist davon die Rede, daß „der deutschen Rechten“ ohne eine Einigung nach den miserablen Wahlergebnissen der letzten Zeit „der Sturz in die dauerhafte Bedeutungsosigkeit“ drohe. Um dem zu begegnen, sei „jetzt ein kraftvolles Signal der Versöhnung und Bündelung aller seriösen Kräfte von rechts notwendig“. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutzchef Achim Baumann wertet die Initiativen als „neue Qualität“. Baumann hält es nicht für ausgeschlossen, daß es den Rechtsextremen diesmal gelingen könnte, „die Isolation zu überwinden“. Walter Jakobs