Mörderisches Pokerspiel

■ Nigerias Militärs und die ratlose Diplomatie

Hat der Shell-Konzern recht, wenn er sagt: „Wir brauchen eine stille Diplomatie von allen Seiten“? Oder hat die nigerianische Bürgerrechtsbewegung recht, wenn sie sagt: „Die Zeit für stille Diplomatie ist vorbei“? Die Welt tut sich schwer im Umgang mit Nigeria. Es ist kein Zufall, daß die nigerianische Junta ihre harte Hand pünktlich zum Auftakt des Commonwealth-Gipfels in Neuseeland zeigt – schon im Sommer war in Commonwealth-Kreisen immer wieder auf mögliche Maßnahmen gegen Nigeria bei diesem Gipfeltreffen verwiesen worden. Nigeria hat die Herausforderung angenommen und daraus ein mörderisches Pokerspiel gemacht. Der Einsatz dabei ist das Leben von Ken Saro-Wiwa und acht seiner Mitstreiter.

Es ist durchaus möglich, daß Saro- Wiwa schon tot ist, wenn Queen Elizabeth II. heute dem Commonwealth ihre Eröffnungsrede hält. Es ist genauso möglich, daß er wieder in einem normalen Gefängnis sitzt, versehen mit einem Gnadenerlaß und der Umwandlung seines Todesurteils in eine lebenslange Haftstrafe. Letzteres entspräche genau dem Vorgehen der nigerianischen Regierung, als es vor sechs Wochen um die Hinrichtung des Ex-Präsidenten Olusegun Obasanjo ging – auch er war unter fadenscheinigen Begründungen zum Tode verurteilt worden. Seine Strafe wurde in letzter Minute umgewandelt; zugleich machte General Abacha klar, daß Nigeria noch Jahre auf erste Schritte Richtung Demokratie warten muß. Eine Begnadigung Saro-Wiwas könnte jetzt mit der Ankündigung neuer Investitionen in die Öl- und Gasausbeutung in Saro-Wiwas Ogoni- Land zusammenfallen: Die Weltbank prüft derzeit Anträge auf einen 100-Millionen-Dollar-Kredit, mit dem Nigerias Regierung zusammen mit den Ölkonzernen Shell, Agip und Elf eine neue Pipeline quer durch das Ogoni- Land bauen will.

Ein Ölembargo kann Nigeria treffen, da es über 90 Prozent seiner Devisen im Ölexport erwirtschaftet – aber Nigeria ist zugleich Meister der noch schlechter zu kontrollierenden Schattenwirtschaft. Sanktionen haben bei der Überwindung der Apartheid in Südafrika geholfen – aber auch Dialog war dabei wesentlich. Im Falle Nigerias kommen die Stimmen, die für einen weichen Umgang plädieren, allesamt aus dem Ausland; und es sind die Nigerianer selbst, die eine harte Linie einfordern. Das sollten alle Entscheidungsträger bedenken, die sich bei ihrem Kurs gegenüber Nigeria nicht ausschließlich von den eigenen Interessen leiten lassen. Dominic Johnson