Jitzhak Rabins Mörder hatte geistlichen Beistand

■ Rabbiner sprachen eine Art Todesurteil. Die Ermittler vermuten ein Mordkomplott

Tel Aviv (taz) – Gegen den ermordeten israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin hatten Rabbiner eine Art religiöses Todesurteil ausgesprochen. Das geht aus der Vernehmung des verhafteten Führers der rechtsextremen jüdischen „Ejal“- Gruppe, Avischaj Raviv hervor sowie aus Erklärungen von Rabbinern. Raviv war am Mittwoch abend festgenommen worden. Gegenüber der Untersuchungsrichterin Edna Bekenstein erklärte er: „Gegen Rabin bestand eine Art Todesurteil – auf Grund des religiösen Rechts. Jedenfalls konnte man es so verstehen.“

Sicherheitsbeamte bezeichnen Raviv als „treibende Kraft“ hinter Rabins 25jährigem Mörder Jigal Amir. Nun wird untersucht, ob der Ministerpräsident Opfer eines Mordkomplotts wurde. Der Verdacht wurde gestern durch den Fund vergrabener Waffen und Munition im Hof des Hauses der Familie Amir in Herzlia erhärtet.

Der übergeordnete israelische Geheimdienst Schabak-GSS untersucht, ob Rabbiner dem Mörder „die moralisch-religiöse Legitimation“ für seine Tat lieferten. Vorausgegangen war am Dienstag eine Versammlung von Rabbinern in Jerusalem. Zu der Veranstaltung unter dem Motto „In sich gehen“ hatten religiöse Parteien und die offizielle Siedler-Führung geladen. Einer der Teilnehmer, der Rabbiner Joel Ben Nun, forderte dabei, Rabbiner, die in der Vergangenheit eine Art Todesurteil gegen Rabin ausgesprochen hätten, sollten innerhalb der sieben offiziellen Trauertage von ihren Ämtern zurücktreten. Andernfalls sollten ihre Namen veröffentlich werden. Ben Nun gab zu verstehen, daß solche auf Grund religiösen Rechts ausgesprochene „Todesurteile“ auch gegen andere Persönlichkeiten existieren und deshalb mit weiteren Morden gerechnet werden müsse.

Gestern wurden zwei weitere Bekannte des Mörders Jigal Amir verhaftet: Dror Hadani (26) war dessen Mitschüler in der orthodox-religiösen Jeschiva-Schule. Angeblich ist er Mitglied einer rechtsradikalen Organisation. Die Ermittler bezeichnen ihn als „Helfer“ des Mörders. Ohad Schkolnik (23) ist der Sohn des Leiters einer chirurgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses in Tel Aviv. Gemeinsam mit Jigal Amir studierte er an der juristischen Fakultät der religiösen Bar Ilan Universität. Schkolnik gilt als enger Freund Amirs und wird der Mitwisserschaft an dem Mordplan verdächtigt. Mit seinem Vater hatte er mehrfach an Demonstrationen rechter Oppositionsparteien teilgenommen. Der Vater bestritt in einem Interview nach der Festnahme seines Sohnes, daß dieser Mitglied einer rechtsradikalen Organisation sei. Er erklärte aber, nach einer gemeinsamen Fahrt nach Auschwitz hätten beide gefühlt, „daß die Schoah hier [in Israel] noch einmal stattzufinden droht“.

Die Erkenntnisse über das politische Umfeld des Mörders haben Auswirkungen bis in die USA. In New York wurde der langjährige Leiter der dortigen sephardisch-jüdischen Gemeinde, Rabbiner Abraham Hecht, seines Amtes enthoben. Er hatte gegen den Friedensprozeß und die Regierung Rabin gepredigt. In einem Interview mit dem israelischen Fernsehen hatte er vor einigen Monaten erklärt, gegen Rabin liege ein rabbinisches Todesurteil vor. Amos Wollin Seiten 9 und 10