Bürgerbüros statt Behördenbunker

■ Die ÖTV bietet dem Senat ein Bündnis für mehr Arbeitsplätze und einen besseren öffentlichen Dienst an, doch der hört nicht zu Von Florian Marten

Mit einer Modernisierungsoffensive will Hamburgs ÖTV den Weg aus der Sackgasse von Arbeitsverdichtung, Staatsabbau und Sozialdumping finden. Am Wochenende reichte Hamburgs größte Gewerkschaft dem Senat auf einer Arbeitszeitkonferenz im CCH erneut die Hand für einen Deal mit einer Reihe von – auf den ersten Blick kaum glaublichen – Versprechen:

– 1 500 neue Arbeitsplätze und dennoch 100 Millionen Mark Ein-sparungen jährlich,

– bessere Bedingungen für Arbeit und Umwelt und dennoch keine Mehrkosten für die Stadtkasse,

– längere Öffnungszeiten von Behörden, ein besserer ÖPNV, Bürgerläden und Bürgerbüros statt düsterer Bezirksamtsflure – und auch dies ohne Vergrößerung des Haushaltsdefizits.

Die vorgeschlagenen Rezepte sind ebenso schlicht wie ungewöhnlich: Die ÖTV bietet dem Senat eine Arbeitszeitverkürzung für Besserverdienende im Stadtstaatsapparat ohne Lohnausgleich aber mit Garantie für die Schaffung neuer Arbeitsplätze, bei welcher die Lohnverzichte nur zur Hälfte in deren Schaffung wandern sollen, zur anderen Hälfte aber für die Sanierung der Stadtkasse genutzt werden dürfen. Dezentrale Tarifverträge, welche Umweltfragen und Arbeitsplatzschaffung konkret berücksichtigen, und auch neue Flexibilisierungen der Arbeitszeit sollen öffentliche Unternehmen und Verwaltungsstellen paßgenau modernisieren helfen. Und schließlich: Nach italienischem Vorbild empfiehlt die ÖTV Runde Tische für ein Modell „Zeit der Stadt“, welches, so HWP-Wissenschaftler Ulrich Mückenberger, „bestehende Zeitstrukturen im öffentlichen Angebot mit den Zeitbedürfnissen der BürgerInnen harmonisiert.“

„Ich habe den Eindruck, der Senat hat unser Angebot noch überhaupt nicht verstanden. Das Echo auf unsere Vorschläge war bisher nicht ermutigend. Wir betrachten es jedenfalls nicht als Ende der Geschichte, wenn bislang lediglich eine ABM-Stelle, ein Forschungsprojekt und ein Gesprächskreis herausgekommen sind.“ Hamburgs ÖTV-Chef Rolf Fritsch zeigt sich entsetzt über die Unfähigkeit des Senats, auf die Angebote seiner Gewerkschaft einzugehen.

Symptomatisch die Teilnahme der Politik: Während CDU und SPD auf der Konferenz durch fast vollständige Abwesenheit glänzten, beteiligte sich die grüne Bürgerschaftsfraktion gleich mit mehreren Abgeordneten. Fritsch mit bitterem Unterton: „Die Sozialdemokraten versuchen, die Machtlücke zu interpretieren, übersehen aber, daß sie selbst die Machtlücke sind. Wenn man die Politik des Senats betrachtet, reduziert sie sich auf die lautstarke Begleitung dessen, was ohnehin stattfindet.“

Die SPD in Hamburg, so Fritsch, müsse endlich zu einer ergebnisorientierten Handlungsstrategie finden. Denn: „Am Ende einer ungesteuerten politischen Entwicklung könnte sonst der totalitäre Zuteilungsstaat stehen – mit Eingriffen in die Bürgerrechte und die Tarifautonomie.“