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: Desperado

Mitte der 50er Jahre tauchten Männer auf, deren Gerede man nicht verstand (Marlon Brando), deren Ableben man nicht verstehen wollte (GIs) und deren Bewegungen, wie der Hüftschwung Elvis Presleys, unverständlich blieben. Die Helden aus den Western überlebten diese neuen Male-Role-Models nur, indem sie sich den Stoffen, welche sich seit Billy the Kid und der Schießerei in Tombstone nicht allzusehr geändert hatten, in den 60ern parodistisch näherte.

Nach der schön ausgeleuchteten und natürlich nicht unsentimentalen Phase zwischen Silverado von 1985 und Erbarmungslos eröffnet Robert Rodriguez nun mit Desperado für ein ganzes Genre einen neuen Abschnitt. Erzählt wird die Geschichte von El Mariachi. Der nimmt schießend und messerwerfend Rache für die Toten, die in der ersten Fassung, von Rodriguez für eine Handvoll Dollarriesen gedreht, anfielen. Am Ende stellt sich seine Hauptzielscheibe, der Drogenbaron Bucho (Joaquim de Almeida) als der eigene Bruder heraus.

So weit, so notorisch. Aber trotz vieler tot herumliegender Strauchdiebe und modernerer Gangster kommt nie der Eindruck auf, daß der Regisseur für eine schäbig aufgemotzte Brutalität plädiert. Denn das Nervenbündel El Mariachi weiß nach Duellen ohne seinen Busenkumpel (Steve Buscemi) kaum noch ein und aus. Die Hauptfigur ist hier jemand, der für seine Auftritte in die Haut von jemand anderen schlüpft. Mit diesem anderen teilt er bloß das Talent, früher als sein Gegner abzudrücken. Selten war in einem Film so klar, daß sich nach dem Shooting alle den Ketchup aus den Kostümen waschen lassen.

Robert Rodriguez frönt mit Hingabe der netten Kunst der Übertreibung. Banderas, in den 80ern für Almodovar tätig und mit Philadelphia bekannt geworden, ist die gutaussehende Karikatur von einem, der ausschließlich im Umgang mit einem Peacemaker Begabung entwickelt. Souveränität darf nur Quentin Tarantino in einem wundervollen Kurzauftritt beweisen.

Fragen stehen im Raum: Was ist aus dem Western rauszuholen, wenn man auf genreübliche Tragik verzichtet? Was kann ein Western noch alles erzählen, außer einer Westerngeschichte? „Einiges, einiges“, sagt der Desperado vielsagend und reitet der untergehenden Sonne entgegen.

Kristof Schreuf