Gen-X-Nostalgie

■ Im Verlorenen aufgehoben: Douglas Coupland las auf Kampnagel

Es sei genug Zeit seit dem ersten Buch vergangen, um heute wieder nostalgisch daraus vorzulesen, sagte der kanadische Autor Douglas Coupland. In einer blauen Skijacke in der Halle 6 auf Kampnagel stand er am Lesepult und las aus Generation X einige Passagen über Familienfeste, Vögel und die Art von Leuten, ihre Arme vor der Brust zu verschränken. Wer sich die von Vielen überrissene Generation-X-Terminologie wegdachte, der konnte einen Schriftsteller von moderatem Format entdecken. Eigenschaften: Sanfte Fasziniertheit auch von langweiligen Umgebungen, freundliche Ironie und das Prinzip, bis in alle Ewigkeit unvoreingenommen zu bleiben, damit man auch morgen noch in aller Wärme ausrufen kann: „Das Leben, wie wir es kennenlernen – hier muß es doch schon wieder irgendwo sein!“

Die Frage nach dem Leben, das man schon seit den 70ern nicht mehr hat, aber dennoch seitdem führt, hielt Coupland am Mittwoch abend für die interessanteste. Die Substanz dieses Lebens bestehe vor allem aus Erinnerungen. Aus seiner sanften, freundlichen Stimme hörten geneigte Zuhörer eine Art gutaussehende Melancholie heraus – nicht so geneigte Zuhörer bloß permissive Souveränität.

Coupland ließ sich beim Fragenbeantworten einigermaßen mühelos mit seinen mittlerweile vier Büchern zusammenbringen. Er präsentierte sich als ein Schriftsteller der Aufgehobenheit. Nicht nur, weil das Gefühl der Verlorenheit inzwischen kolossal gängig geworden ist, sondern weil nach dem vielbesprochenen Ende der Geschichte uns alle „der Beginn einer neuen Geschichtsschreibung“ erwarte.

Überall hat es Rechnungen, die sich endlich, wenn auch auf unerwartete Art, begleichen lassen: So gibt es zum Beispiel einiges, das man nicht weiß, aber dafür fast nichts, was man nicht beschreiben könnte. Der Weisheit letzter Schluß ist eine Geschichte, und wer sie erzählt, ist König.

Coupland fand für das, was auf der Hand liegt, gut klingende Slogans. Diese Slogans erfüllen die Funktion, vieles von dem, was nur schnöde kreucht, mit einem Geheimnis aufzupeppen und fortan zauberhaft leuchten zu lassen. Die Gefahr besteht heute eigentlich nur darin, daß Coupland der Literat ist, der davon ausgehen muß, daß er noch ernster als bisher genommen wird, wenn er beginnt, sich als „naher, persönlicher Freund“ ein wenig lustig zu machen.

Kristof Schreuf