Hertha will sich nach oben zaubern

Hertha BSC spielt ein 3:3-Unentschieden gegen den VfL Bochum. Statt die Aufholjagd in der zweiten Halbzeit zu loben, lamentiert das Team über das schlechte Spiel. Dabei scheitert es vor allem an den eigenen hohen Ansprüchen

Lob kann auch verletzend sein. Das hatte Marcel Koller wohl nicht bedacht, als er, der Trainer des angereisten Tabellenletzten VfL Bochum, nach dem 3:3 im Olympiastadion sagte: „Am Ende ist der Punkt für Hertha nicht unverdient.“

Auf das Wohlwollen der Schwachen hätte man in Berlin gerne verzichtet. Ein verdienter Punkt? Drei hatten die Herthaner gegen das Schlusslicht fest eingeplant. Alles andere lag außerhalb ihrer Vorstellungswelt.

Manager Dieter Hoeneß beklagte, dem Team wäre es zum wiederholten Male nicht gelungen, einen Vorsprung zu verteidigen. Ein Makel, den Hoeneß bereits in den letzten Wochen angesprochen hatte und der am Samstag offenkundig wurde.

Anfangs spielte Hertha gut. Das Team zeigte gekonnte Ballstafetten, und Marco Pantelic sorgte mit einem sehenswerten Heber schon in der 9. Minute für die Führung. Doch danach verlangsamte und verkomplizierte sich das Berliner Spiel. Trainer Falko Götz formulierte es so: „Es sind Dinge passiert, die da nicht reingehören.“ Götz monierte, man habe plötzlich versucht, Zauberpässe über 50 Meter zu spielen, anstatt den freien Mann nebenan zu bedienen.

Es lässt sich bei Hertha ein gestiegenes Anspruchsdenken beobachten. Bereits nach dem leistungsgerechten Unentschieden in Bielefeld hielten Trainer und Manager ihren Profis vor, sie hätten den Sieg verpasst. Die Westfalen gehören momentan immerhin zu den besten Teams der Liga. Gegen Bochum wurde nicht die Aufholjagd der zweiten Halbzeit gewürdigt, sondern Hoeneß fragte: „Warum müssen wir es uns immer so schwer machen?“

Ein Reporter zündelte schon mit der Frage: „Wie lange wollen Sie sich das noch anschauen?“ Hoeneß blieb jedoch ruhig. Es gebe keinen Anlass, einen scharfen Ton anzuschlagen, beschied er dem Pyromanen. Hertha ist mit drei Punkten Abstand auf Sichtweite zu einem Champions-League-Platz.

Die Vereinsführung schielt aber beharrlich weiter nach oben. Vier Punkte habe man aus den letzten beiden Spielen verloren, bilanziert Hoeneß. Man hätte die Chance verpasst, sich im ersten Tabellendrittel festzusetzen. Die Bescheidenheit zu Saisonbeginn ist längst abgelegt. Damals hieß es, das junge Team solle nicht mit einer Zielsetzung unter Druck gesetzt werden.

Die Jugendlichkeit des Teams wurde trotz alledem wieder hervorgehoben. Das gehört inzwischen zur Liturgie auf Hertha-Pressekonferenzen. So sagte Trainer Götz seinen Lieblingssatz auf: „Die Mannschaft befindet sich noch in der Entwicklung.“ Er verwies auf die Fehler von Sofian Chahed. Der 23-Jährige hatte zuvor schon reu- und freimütig die Schuld für die ersten beiden Gegentore auf sich genommen: „Nach so einem Scheiß von mir spielen wir nur Unentschieden.“

In der Anfangself von Hertha standen allerdings auch sieben Spieler, die über 26 Jahre alt sind. Und in Bielefeld hatte der erfahrene Josip Simunic (28) mit einem kapitalen Fehler seine Mannschaft ins Hintertreffen gebracht. Johannes Kopp