: Stewart Home liest in Hamburg
„Er tritt mit Doc Martens-Stiefeln die Tür der Literatur ein, trinkt einen Schluck Whiskey aus der Flasche, grölt lauthals ,Punkrock!', schlägt einem Langweiler den Schädel ein und ist auch schon wieder verschwunden.“ So umschrieb Die Woche bildlich seinen Erstling Purer Wahnsinn. Sein zweiter Tritt Stellungskrieg wurde in der taz hamburg als „Gitarrenriff, als dampfendes Stück Scheiße, das ,den Kunstfurzern und Trendies mächtig in die Nase steigt'“ bezeichnet, aber auch „als Meisterwerk des schlechten Geschmacks.“ Der Autor, dessen Arbeit mit solch hemdsärmeligen Lobesworten bedacht wurde, ist Stewart Home und soll in echt ein zurückhaltender Nichtraucher und fanatischer Punk-Aficionado sein, der sich in seinen Büchern ordentlich austobt.
Dort erzählt er grelle Geschichten aus der Londoner Subkultur. Wie jene des Redskins Terry Blake, der beim Stellungskrieg Marx rezitiert und so einen kurzen Moment lang „den Kommunismus als orgiastische Wahrheit erfährt.“ Der „Arbeiterklassekrieger“ treibt sich dabei recht gewandt im Anarcho-Milieu herum und trifft dort auf Splittergruppen jedweder Couleur, die nur eines gemeinsam haben: kaum mehr als fünf Mitglieder. Es gibt da die Cockney-Nation, die sich als Tierschützer aufführt, und die Pro-Situationisten, die Guy Debords Schriften nach versteckten Botschaften absuchen. Diese sind wiederum mit den Dritt-Positionisten in der ideologischen Gefolgschaft des Alternativ-Nazis Otto Strasser verfeindet. Und so weiter und so fort.
Aber es gibt auch noch die Geheimpolizei mit ihrer anti-anarchistischen Spezialeinheit MI 7, die die „Hippie-Braut“ Joyce auf den smarten Boot-Boy Terry ansetzt. Wie die ganze Chose ausgeht, das wird Stewart Home am heutigen Montag im Pudel's Club verraten. Im Gepäck hat er neben Stellungskrieg noch seine Plattensammlung. An erster Stelle auf seiner Playlist steht, wie könnte es anders sein, Sham 69. Gespannt darf man ferner sein, wie sich Stewart Homes Rüpel-Prosa am Wochenende im Schauspielhaus ausnehmen wird: ob es eine Diskussionsveranstaltung oder eine Punk-Party wird, ist noch völlig offen.
Volker Marquardt
Heute, Pudel's Club, 22 Uhr
Sonnabend, Deutsches Schauspielhaus, Kantine, 23 Uhr
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