Monolog eines Stücks Scheiße

■ Gastspiel im Theater im Zimmer: „Dreck“ von Robert Schneider

Ein Mensch ist aus dem Irak nach Deutschland gekommen, weil ihn die Sprache und die Kultur faszinieren. Der Mensch heißt Sad oder Saddam oder Ahmed. Weil er es gutheißt, keine Rechte zu haben, gefällt der Name Sad ihm am besten: drei Buchstaben ohne Bedeutung, wir sind ja nicht in England, wo sad etwas Trauriges bezeichnet. Sad ist ein Illegaler, und davon handelt das Ein-Mann-Stück Dreck: von der Absurdität, daß Menschen illegal sein können.

„Ich habe mich nie auf eure Parkbänke gesetzt, weil ich weiß, daß ich kein Recht darauf habe.“ – „Ein paar Mal habe ich öffentliche Toiletten benutzt, aber darauf habe ich kein Recht.“ Sad findet sich wertlos gegenüber den „Parkbankmenschen“: „Das hängt mit der Evolution zusammen“. So verkauft er brav seine Rosen und freut sich, daß seine Haut immer blasser wird.

Robert Schneiders Monolog zeigt einen Migranten, der nicht klagt und sogar humorvoll sein kann, der sich selbst wie ein Stück Scheiße behandelt und 70 Minuten lang die eigene Geringschätzung vor dem Zuschauer ausbreitet. Diese überzogene Darstellung der Auswirkungen von Rassismus, die völlig auf Ironie verzichtet, könnte einem auf die Nerven gehen. Trotzdem ist das 1993 im Thalia-Theater uraufgeführte Drama nicht nur aufgrund der oberflächlichen, werbewirksamen Qualität interessant, von dem gleichen Autor wie der Roman Schlafes Bruder zu sein. Denn es bietet einem jungen Schauspieler die Gelegenheit, alles zu geben, die Bühne allein mit seinem ganzen Können auszufüllen.

Diese Gelegenheit nutzt der Schauspieler Nils-Daniel Finkh. Im Rahmen der „blackbox“-Gastspiele – Spätabend- und Mittagsveranstaltungen als „Zweites Programm“ im Theater im Zimmer – gab er am vergangenen Wochenende drei Aufführungen seiner gelungenen Dreck-Version.

Voller Behutsamkeit und Aggressivität legt Nils-Daniel Finkh einen Sad aufs Parkett, der ohne pathetische Anwandlungen die ins Absurde geführte Ausländerfeindlichkeit verkörpert. Ein Sad, der es schafft, immer zum Publikum zu sprechen, ohne seine Zuschauer auch nur ein einziges Mal direkt anzuschauen. Dessen perfekt auf Fernsicht eingestellter Blick – Ich habe nicht das Recht, euch in die Augen zu schauen! – beeindruckt.

So zieht der Darsteller das Publikum in Sads verrückte Welt der Selbstbesessenheit hinein. Am 17. Dezember werden im Rahmen der „blackbox“ Katja Beer und Michael Biel auftreten.

Nele-Marie Brüdgam