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Strahlenskandal in der Frauenklinik?

■ Anwalt erhebt schwere Vorwürfe wegen veralteter Behandlungsmethoden im UKE Von P. Faller

Gibt es einen neuen Strahlenskandal am UKE? Sind Patientinnen der Frauenklinik, die an Unterleibs- oder Brustkrebs erkrankt sind, mit zu hohen Strahlendosen behandelt worden? Der Patientenanwalt Wilhelm Funke, der auch die PatientInnen in Sachen Schadensersatzansprüche gegen die UKE-Radiologie vertritt, erhebt neue schwere Vorwürfe über veraltete Behandlungsmethoden. Das UKE wiegelte gestern ab. Die Behörde für Wissenschaft und Forschung prüft noch. Bis heute liegen ihr 106 Ansprüche auf Schadenersatz vor, räumt sie ein. Zu 85 Fällen seien bereits Gutachten vergeben worden, 62 davon lägen vor, bei denen aber noch Klärungsbedarf bestünde.

Seit 1993 sei seine Kanzlei, so Wilhelm Funke, in etwa 90 Fällen von Angehörigen verstorbener Patientinnen, von den Opfern selbst oder von Krankenkassen beauftragt worden, die Strahlentherapie an der UKE-Frauenklinik zu überprüfen. Sie beklagten sich nach Unterleibsbestrahlungen hauptsächlich über strahlenbedingte Schäden an Blase und Darm und nach Brustbestrahlungen über schmerzende Vernarbungen und Verhärtungen der Brust oder schmerzhafte Armlähmungen. Bei 20 Patientinnen bestünde nach Auswertung der Gutachten ein Anspruch auf Schadenersatz, so der Patientinnenanwalt. Funke hat Klage vor dem Hamburger Landgericht erhoben.

Anwalt Funke wirft der Frauenklinik vor, lange Zeit veraltete Methoden angewandt zu haben: „Die Frauenklinik hat in den 60er Jahren eigene Methoden entwickelt, die damals vielleicht fortschrittlich waren. Aber Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre gab es neue Erkenntnisse, nämlich die, daß die Schäden am gesunden Gewebe abhängig sind von den Einzeldosen.“ Im UKE seien die entsprechenden „allgemeinen Empfehlungen“ überschritten worden.

Auf der gestrigen Pressekonferenz wies das UKE alle Vorwürfe zurück und rühmte sich statt dessen der Verdienste der gynäkologischen Radiologie. Der Chef der Abteilung, Hans Joachim Frischbier, gegen den sich die Vorwürfe richten, räumte zwar ein, daß seine Bestrahlungsmethode eine andere sei als die, die die Mehrheit der Strahlentherapeuten praktiziere, sie sei aber erfolgreicher als andere.

Drei auf Empfehlung der Deutschen Röntgengesellschaft ausgewählte Gutachter hatten die Vorwürfe bereits geprüft. Im September 1993 hatten sie Frischbier bescheinigt, daß seine Behandlungskonzepte nationalen und internationalen Standards entsprechen. Die Strahlendosen der Therapiekonzepte bewegten sich im Rahmen dieser Standards, und die Komplikationsrate im internationalen Vergleich liege eher günstig, wie der Ärztliche Direktor des UKE, Heinz Peter Leichtweiß, berichtete.

Die Wissenschaftsbehörde gibt aber zu bedenken: „Unabhängig von der generellen Untersuchung der Behandlung der Frauenklinik bedarf es der Klärung, ob in allen Einzelfällen nach den Regeln der Kunst verfahren worden ist.“ Dazu bedarf es weiterer medizinischer Gutachten. Die Behauptung von Rechtsanwalt Funke, in 20 Fällen seien Fehlbehandlungen „nachgewiesen“, entspreche nicht den Tatsachen. Vielmehr gebe es noch offene medizinische Fragen.

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