Negativheldin ohne Tricks

■ Einsam in der Stadt: Barbara Frey inszeniert Irmgard Keuns anarchistischen Bildungsroman Das kunstseidene Mädchen als minimalistischen Monolog

Da ist das Mädchen, die junge Frau, die aus der Provinz in die Stadt will, weil sie sich Leben wünscht, volle Tage und eine Begegnung fürs Herz. Sie kommt nach Berlin und scheitert an der Metropole, an den Menschen und an sich selbst. „Das Ganze hat etwas von einem anarchistischen Bildungsroman mit einer Negativheldin“, sagt Barbara Frey, die Irmgard Keuns Roman Das kunstseidene Mädchen im Schauspielhaus in einer Monologfassung von Gottfried Greiffenhagen inszeniert.

Barbara Frey beschäftigt sich schon länger mit der kunstseidenen Vorkriegsfigur: „Ich war in Basel Assistentin, als Baumbauer noch dort war. Damals hat Inka Friedrich den Roman gelesen und wollte das sofort spielen.“ Die Monologfassung wurde angefertigt, das Stück nach dem Weggang Baumbauers nach Hamburg vertagt. „Nun kommt es eben hier zustande“, sagt die Regisseurin und freut sich.

Seit sie nach zwei Assistenzjahren in Basel beschloß, selbst inszenieren zu wollen, hat sie zehn Arbeiten hinter sich gebracht. „Ich sagte mir, daß ich keine ewige Assistentin sein wollte – und es hat sich ausgezahlt. Ich komme eher vom freien Theater. Aber für mich stehen freie Szene und Stadttheater gleichberechtigt nebeneinander. Jedes hat seine Berechtigung, seine speziellen Möglichkeiten.“

Nach einer ersten Probephase im Mai wurde die Arbeit vor drei Wochen wieder aufgenommen. „Die Schwierigkeit bei einem Monolog ist ja, daß es erst einmal ein Gerüst braucht, eine Anlage, und dann dauert es noch eine ganze Weile, ehe man den Text erobern kann. Man muß ja als Mensch allein da raus und 75 Minuten lang die ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen und hat keine Möglichkeit zu sagen: ,In der nächsten Szene geht's besser, dann kommt der Soundso.' Man braucht beim Monolog ziemlich lange, um das alles sozusagen in den Körper und auf die Haut zu kriegen. Jetzt findet deshalb die intensivere Arbeitsphase statt, das andere war ein vorläufiges Anlegen der Rolle.“

Für Das kunstseidene Mädchen, ihre erste Arbeit in Hamburg, hat die junge Schweizerin sich im Schauspielhaus einen unüblichen Spielort ausgesucht. „Wir dachten uns aber, daß wir nichts dazu sagen wollen. Damit es eine Überraschung bleibt. Es ist ja eine Late Night, und die Leute werden abgeholt und kommen an einen Ort, wo man sonst nicht unbedingt ist.“ Der Spielort bringt es mit sich, daß nur etwa 50 Zuschauer pro Vorstellung Platz haben. „Aber auch sonst gehen wir absolut minimalistisch vor. Ein Mensch erzählt, und da gibt es keine Regietricks. Es ist sehr unaufwendig – wobei es sehr schwer ist, soetwas zu proben.“

Thomas Plaichinger

Premiere: Samstag, 16. Dezember, Schauspielhaus, 23 Uhr