Syrien und Israel sind auf dem Friedenspfad

■ Warren Christopher soll in Damaskus ein „Weißbuch“ für Verhandlungen vorlegen

Tel Aviv (taz) – Mit einer wichtigen Antwort aus Damaskus wird Warren Christopher heute in Jerusalem erwartet. Gestern sollte der US-Außenminister dem syrischen Staatschef Hafis al-Assad einen neuen israelischen Vorschlag zur Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen unterbreiten.

Den Vorschlag hatte Israels Ministerpräsident Schimon Peres bei seinem USA-Besuch in der vergangenen Woche im Gepäck gehabt. Als Peres am vergangenen Donnerstag aus Washington zurückkehrte, strahlte er bis über beide Ohren. Noch nie seien die Aussichten auf einen Durchbruch bei den Verhandlungen mit Syrien besser gewesen, erklärte er. Man stehe am Anfang eines sicheren Weges zum Frieden. Freilich ließe sich noch nicht absehen, wie lang dieser sei.

Peres erklärte sich besonders beeindruckt von den positiven Reaktionen syrischer Kommentatoren auf seine Signale. Zum ersten Mal hatte Peres den syrischen Anspruch auf eine vollständige Rückgabe des gesamten Golan ausdrücklich anerkannt.

Jossi Beilin, Minister im israelischen Ministerpräsidium, meinte gar, wenn man sich in den kommenden zwei Wochen auf einen Verhandlungsmodus einigen könne, sei ein Abkommen mit Syrien eine Angelegenheit von nur einigen Monaten.

Ein anderer Minister der israelischen Regierung, der nicht genannt werden wollte, sagte israelischen Journalisten, Christopher sei von Peres bevollmächtigt worden, dem syrischen Präsidenten Hafis al-Assad mitzuteilen, Israel sei bereit, die syrische Souveränität im gesamten derzeit von Israel besetzten Golan anzuerkennen. Diese Erklärung solle zu einem dramatischen Umschwung in den Verhandlungen ziwschen Israel und Syrien führen.

Laut israelischen Informationen soll Peres in seinen Gesprächen mit Clinton auch eine Zwischenlösung im Libanon vorgeschlagen haben. Unter bestimmten Bedingungen sei Israel bereit, seine Truppen aus der sogenannten Sicherheitszone im Südlibanon zurückzuziehen und die Präsenz syrischer Militärs in dem Land anzuerkennen. Angeblich verlangt Israel dabei als Gegenleistung syrische – und höchstwahrscheinlich auch US-amerikanische – Garantien für die Stabilität des Libanon und für Israels Sicherheit.

Mit dem Einverständnis von Peres soll die US-Regierung ab sofort eine weitaus aktivere Vermittlerrolle in den Verhandlungen zwischen Israel und Syrien spielen. Christopher soll in Damaskus eine Art „Weißbuch“ überreichen, das US-amerikanische „Überbrückungsvorschläge“ zur Ankurbelung von Verhandlungen enthält.

Der ägyptische Außenminister Amre Mussa erklärte dieser Tage, Syrien sei nun auch zu Verhandlungen auf höherer Ebene bereit. So bestehe die Möglichkeit einer baldigen Zusammenkunft zwischen den Außenministern Faruk asch-Schara (Syrien) und Ehud Barak (Israel).

Peres soll Clinton aufgefordert haben, für die Verhandlungen mit Syrien eine Art „Camp-David- Methode“ einzuführen. In dem gleichnamigen Urlaubssitz der US- Präsidenten fanden Ende der 70er Jahre ägyptisch-israelische Intensivverhandlungen statt, die zum Friedensvertrag zwischen beiden Staaten führten. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die damals von US-Präsident Jimmy Carter und seinem Außenminister Henry Kissinger geführte US-Delegation, die ihre Ziele mit Zuckerbrot und Peitsche durchsetzte.

Clinton und Peres meinen, daß ein noch vor den amerikanischen und israelischen Wahlen im Herbst 1996 abgeschlossenes Abkommen mit Syrien ihre Aussichten auf Wiederwahl steigern würde.

Peres schlug bei seinem Washingtonbesuch vor, ein Abkommen mit Syrien in Form eines von Clinton einberufenen Nahost-Friedensfestes in Washington oder Jerusalem zu unterzeichnen. Zu der Veranstaltung sollten so viele arabische Staatschefs wie möglich erscheinen und so das Ende des Nahostkonflikts demonstrieren. Peres hat darüber bereits mit dem marokkanischen König Hassan II. verhandelt und eine grundsätzliche Zusage erhalten. Marokko soll laut israelischen Angaben auch versprochen haben, die bereits bestehenden Beziehungen mit Israel durch einen Austausch von Botschaftern zu untermauern. Amos Wollin

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