Hält Kinkel seine Hand über Irans Geheimdienstchef?

■ Laut Verfassungsschutz war der Iran direkt am Mord an vier Kurdenführern in Berlin beteiligt. Die Bundesregierung versucht Einfluß auf Ermittlungen zu nehmen

Berlin (taz) – Das iranische Geheimdienstministerium war „direkt“ am Mykonos-Attentat beteiligt. Diese Erkenntnis unterbreitete gestern das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) im Verfahren um den Mord an vier iranische Kurdenführern im Berliner Lokal „Mykonos“ im September 1992. Nach Informationen des Amtes sandte das iranische Ministerium ein Team von Teheran nach Berlin: „Das Team stimmte sich mit in Berlin ansässigen Agenten ab, stellte Erkundigungen an und legte die Pläne für den Mordanschlag endgültig fest.“ Über die Zusammenkunft der Kurdenführer im Lokal „Mykonos“ erfuhr das Mordkommando „mit Hilfe einer Quelle des Ministeriums, die in direktem Kontakt mit den Kurdenführern stand“. Nach dem Anschlag habe das Team „gemäß einem sorgfältig ausgearbeiteten Ausschleusungsplan Berlin in Richtung Iran“ verlassen.

Der iranische Geheimdienst steht schon seit langem im Verdacht, die Ermordung initiiert zu haben. Im Dezember hatte deshalb der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes gegen den Geheimdienstminister Ali Fallahian eingeleitet.

Die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes erhalten dadurch eine besondere Brisanz, weil jetzt bekannt wurde, daß das Bonner Außenministerium bestrebt ist, das Verfahren im Sande verlaufen zu lassen. Am 19. Dezember war im Bundesjustizministerium der Fall des Geheimdienstchefs Fallahian Gegenstand einer Erörterung, an der Vertreter des Außenministeriums teilnahmen. Der Generalbundesanwalt wollte unter anderem wissen, ob seitens der Bundesregierung Gründe vorliegen, von der Verfolgung der Straftat abzusehen. Diese sind laut Strafprozeßordnung unter anderem dann gegeben, „wenn die Durchführung des Verfahrens die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführen würde“.

Wie ein Sprecher des Bundesjustizministeriums gegenüber der taz bestätigte, „wurden Fakten geschildert, die für diese Frage von Bedeutung sind“. Diese Fakten wurden vom Bundesaußenministerium anscheinend mit einer solchen Vehemenz vorgetragen, daß Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger als Dienstherrin des Generalbundesanwaltes zum Schluß der Besprechung ihre Weisung bestärkte, daß niemand Einfluß auf das Verfahren nehme.

Bereits wenige Tage nach dem Treffen äußerte der iranische Außenminister Ali Akbar Welajati bei einer Ansprache in der Universität Teheran die Zuversicht, der deutsche Bundesanwalt könne alles sagen, „dies werde aber von offiziellen Stellen in Deutschland nicht akzeptiert“.

Das Bundesaußenministerium wollte gestern keine Stellungnahme abgeben. Bundesaußenminister Kinkel wird schon seit längerem wegen seiner konzilianten Haltung gegenüber dem Iran kritisiert. Im November mußte er auf Druck des Bundestages eine Islamkonferenz, an der auch Welajati teilnehmen sollte, verschieben.

Fallahian war bereits 1993 als Gast von Kanzleramtsminister Schmidtbauer in Deutschland. Angeblich hatte schon damals das Bundeskriminalamt versucht, ihn festzunehmen. Wie der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Eduard Lintner, im Dezember 1995 auf eine SPD-Anfrage bestätigte, habe sich Fallahian jedoch als Repräsentant der iranischen Regierung „auf Einladung der Bundesregierung in der Bundesrepublik“ aufgehalten, er habe deshalb nicht der inländischen Gerichtsbarkeit unterlegen.

Sollte es sich bestätigen, daß der Bundesaußenminister einen Haftbefehl gegen Fallahian zu verhindern versuchte, so wird das nach Ansicht Otto Schilys (SPD), „parlamentarisch zu kritischen Fragen an die Regierung führen“. Schily, Mitglied des SPD-Fraktionsvorstandes, findet es besonders „frappant, wenn Welajati besser informiert wird als das deutsche Parlament“. Dieter Rulff