Helden: Wanderer Von Claudia Kohlhase

Wanderer kommen und gehen, und dazwischen wird viel gewandert. Die meisten Wanderer wandern sogar, was das Zeug hält, und das Zeug hält eben viel. Darum sieht man Wanderer auch so selten. Im Grunde sieht man Wanderer überhaupt nicht, aber sie sollen ja auch wandern, oder stellt sich jemand zwischen die Bäume und wartet auf welche? Außerdem kommt dann garantiert keiner, auch nicht von weitem.

Wanderer sind aber sowieso solche, auf die nicht gewartet werden soll, da Wanderer schon genug mit sich zu tun haben und mit ihrer Koordination. Wanderer wandern wahrscheinlich nur deshalb. Das heißt ja nichts anderes, als sich ununterbrochen in Zusammenhang zu bringen. Auch mit Bäumen und Flechten. Wogegen sie sich dann allerdings wieder absetzen müssen, warum machen sie das sonst. Ihre Konfiguration spielt ihnen leider hin und wieder einen bösen Streich dabei, vor allem der Rucksack, wer Rucksack trägt. Im Normalfall stellt sich nämlich der Wanderer unter sich etwas äußerst Richtiges vor, sozusagen äußerst sichtbar richtig. Oder auch äußerst in den Gesamtzusammenhang gestellt, wenn er nicht wandern würde. Oder vielleicht besser noch zackig hingerotzt – würde er sich sonst in die spitzfindige Ausgeformtheit der Natur begeben, ohne darin formal eventuell umzukommen? Nein, er akzeptiert das Primat des Formats, schließlich hat er selbst eins, und sowas potenziert sich ja dann auch noch.

Eigentlich bewegt sich ein Wanderer aber nur, was andere Leute lang und schlapp tun, ohne dauernd Mätzchen zu machen bezüglich der eigenen Synchronizität von Beinen beziehungsweise Beinen auf Wegen. Gott, die Wege, ein Mysterium, wenn man Wanderer fragt. Dabei verhält sich ein Wanderer zum Weg wie vielleicht ein Wohnzimmerschrank zum Weltall, also lassen wir das. Wir sind aber noch mitten im tiefen Wald, der da steht. Das ist es ja gerade, sagt der Wanderer: steht, und er, der Wanderer, bringt Bewegung ins Bild. Und was für eine Bewegung, eine herrliche Bewegung, eine biegsame Gertenbewegung wie sonst nur an heimischen Haselbüschen, Schlehenbüschen, Weidenbüschen, wenn der Wind weht.

Selbstverständlich gibt es auch Wanderinnen, die man aber genausowenig sieht wie Wanderer. Zusätzlich schlagen sich Wanderinnen auch noch gerne ins Unterholz, um das Besondere zu sein, das sie sind. Obwohl es im Unterholz ruhig zugeht und niemand wirklich kuckt. Aber Wanderinnen sind stolze Frauen und finden auch bei schlecht sortierten Bäckern immer ihr Brötchen. Stolpern übrigens Wanderer über Widrigkeiten, Wurzeln? Nein, warum. Bleiben Wanderer stehen? Nein, wozu. Dazu lockt zu sehr die innerste Aussicht aufs Äußerste. Manchmal sehen zum Beispiel Wanderer schon von weitem eine äußere Aussicht und gehen dann extra gerne darauf zu. Und zwar langsam, um die eigene und auch irgendwelche anderen Spannungen zu steigern.

Nach der Aussicht gehen sie extra schnell weiter, weil wieder von irgendwoher ein kompakter Wald ruft, seltener eine Senke. Der Abgrund ruft manchmal auch, aber da geht ein Wanderer nie hin. Wie sähe er da unten denn aus: statisch. Außerdem brächte er auch später keine Bewegung mehr ins Bild, seine Rede.