: Bosnische Fristenlösung
■ Der Abschiebestopp wird nicht mehr verlängert
Ab dem 1.Juli wird zurückgeschoben! Deutsche Gastfreundschaft kennt keine Verzögerung. Was die Innenminister bereits im Dezember beschlossen haben, werden sie präzise exekutieren lassen.
Die behördlichen Ausreiseverfügungen werden den Flüchtlingen bis Ende März zugestellt, dann bleiben drei Monate Zeit. Dies ist keine behördliche Geste der Großzügigkeit, vielmehr die Gewährung eines Rechtsanspruches, allen zugestanden, die zwölf Monate auf dem Territorium der Bundesrepublik geduldet werden. Der Abschiebestopp wird nicht verlängert, darin sind sich CDU- und SPD-Länder einig. In den nächsten Tagen ist mit Protesten (Ausschlag im unteren Drittel der Betroffenheitsskala) zu rechnen. Betretene Mienen bei linken SPDlern, Grüne werden es herzlos nennen, was die Minister da verabschieden sollen. Aber schließlich werden sich alle damit zufrieden geben, daß die Rückführung gestaffelt vor sich gehen soll, zuerst die arbeitsfähigen Männer und Frauen ohne Kinder, später diejenigen, die in der Ausbildung sind; diejenigen, denen der Krieg die Seelen zerschossen hat, die Traumatisierten, dürfen länger hier bleiben.
Das Rückkehrprogramm à la BRD erfüllt nur scheinbar die Forderungen der Flüchtlingskommissarin Sadako Ogata. Denn klare Fristsetzung und der Katalog der Rückkehrphasen vertragen sich nicht mit der Freiwilligkeit, die das UNHCR meint. Sie gleichen eher den Kriterien für Einberufungen: Arbeitsfähige Männer und Frauen zuerst an die Wiederaufbaufront! Ausländerbeauftragte locken mit Zuckerstückchen in Form von 10.000 harten Deutschmark. Barbara John (CDU) in Berlin würde sie lieber heute als morgen verteilen.
Aber wohin sollen sie denn zurück in Bosnien-Herzegowina? In die zerbombten Häuser oder in schnell aufgeschlagene Zeltstädte? Das UNHCR kann mit Sicherheit ausschließen, daß bis Juli das versprochene Hausaufbauprogramm auch nur annähernd abgeschlossen sein wird. Folgt die Bundesregierung den Innenministern, stellt sie Hunderttausenden Menschen eine Rückkehr in Lager in Aussicht.
Dieser Gedanke muß quälend sein für die Flüchtlinge. Politisch hatte sich auch die Bundesregierung als unfähig erwiesen, der Schlächterei in Bosnien ein Ende zu setzen. Nun hätte sie die Chance, den Menschen zu ermöglichen, in Würde zurückzukehren. Statt dessen: Eile, Ignoranz, Vergessen, Verdrängen. Hauptsache, die Ämter wahren die Fristen. Annette Rogalla
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