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Trostlose Trauerfeiern und Entsorgung ex und hopp: Den Niedergang der Beerdigungskultur befürchten Bestatter und Friedhofsverwalter. Daß wir alle den Tod verdrängen, macht es schwarzen Schafen in der Branche leicht Von Bernd Müllender

Den Tod meistern in Deutschland

Das Thema Tod betrifft – aktiv oder passiv – jeden, und es hat viele Facetten. Und so waren viele unterschiedlich Interessierte gekommen zur Podiumsdiskussion „Ist der Umgang mit unseren Toten noch würdevoll?“ auf der Bundesarbeitstagung der deutschen Friedhofsgärtner. Etwa Keulenspiegel, Berufsbezeichnung Sozialkünstler, der in Aachen ökologische Stadtrundfahrten mit einem Cabriosarg als Fahrradanhänger macht. Oder die Bäckersfrau, die forderte, zu einer stilechten Beerdigung gehöre, daß beim Leichenschmaus der Lieblingskuchen eines jeden wieder unverzichtbar sein müsse. Oder jener Grabesgärtnermeister und Verbandsvizepräsident, der ein düsteres Zukunftsbild seiner Branche malte, wenn weiter nichteheliche Lebensgemeinschaften hofiert würden und gar gleichgeschlechtliche Partner: „Der Niedergang der Friedhofskultur ist die Folge fehlender Familienpolitik.“

Ja, die Branche spricht von Krise. Eine illustre Koalition professionell Betroffener – nicht nur der Bund deutscher Friedhofsgärtner, sondern auch die Steinmetze, Krematoriumsbetreiber, Sargindustrie, Kommunen und natürlich die Kirchen und die Bestattungsunternehmer – sie alle nutzten in Aachen die Chance zu klagen, zu schimpfen, zu jammern. Denn das gute, alte (oft ebenso verlogene wie umsatzträchtige) Beerdigungsprozedere ist hierzulande längst nicht mehr selbstverständlich.

Vom „Verlust der Würde“ war immer wieder die Rede, von Desinteresse und Achtlosigkeit gegenüber den Toten, von Trostlosigkeit und Entritualisierung bei Beerdigungsfeiern. „Eine Entsorgungsmentalität macht sich breit“, klagt der oberste Totengärtnerfunktionär. Ein anderer berichtet vom „Leichentourismus“, wenn ein Toter zum billigsten Krematorium gekarrt werde, um dort „nach wochenlangen Rückstaus in den Kühlhäusern“ verbrannt zu werden. Die Folge: „Ex-und-hopp- Mentalität macht sich breit.“

Jeder dritte wird heutzutage verbrannt. Mit diesem Trend, vor Jahren noch gegeißelt, hat man sich offenbar abgefunden. Aber es gibt Schlimmeres: die anonyme Bestattung. Chemnitz ist mit einem Anteil von 80 Prozent Spitzenreiter – da sei halt, hieß es, „die sozialistische Bestattungskultur“ noch weit verbreitet. Noch bedrohlicher: Selbst in Bayern sei diese Billigbestattung schon beobachtet worden. Mit dieser „Banalisierung des Todes“ liefen wir Gefahr, „das älteste Kulturzeugnis der Menschheit aufzugeben“.

Der Umgang mit dem Tod – ein Schreckensszenario: Leichen als Dummies, Organfledderei gegen den Willen der Verstorbenen. Hinterbliebene bitten um Spenden statt Blumen, das sorge „für Trostlosigkeit am Grab“. Eine Pfarrerin klagte, drei Viertel der Totenfeiern fänden mit weniger als zehn Leuten statt, einmal im Monat sei sie im Schnitt mit einem Sarg ganz allein. Und ach, wollten doch alle wieder ein ordentliches Grab mit dem Grenzstein des Lebens!

Dabei ist die Branche im Prinzip krisensicher, denn gestorben wird immer; eigentlich, so der Verband der Bestatter, sei die derzeitige Ertragslage auch „komfortabel“. Eine knappe Million geht hierzulande jährlich dahin, und die häßlichen Attacken von Discount-Bestattern mit ihren Sperrholzkisten sind erfolgreich abgeschmettert. Allerdings fehlen in diesen Jahren die Kriegstoten, ein statistisches Ärgernis, das zu Buche schlägt.

Der Tod eines Angehörigen erschüttert uns, lähmt, macht starr, stumm, sprachlos. Daraus saugt eine Herde schwarzer Schafe Honig. Mancherorts sei es Usus, so ein Bestatter zur taz, daß „gewisse Firmen ganze Altenheime quasi kaufen“. Ein besonders dreister Fall solchen Leichenvorkaufsrechts wurde vor Jahren in Berlin aktenkundig: Ein Heimleiter hatte sich als Dankeschön vom Bestatter gleich ein Haus bauen lassen. Oder da ist etwa jenes rheinische Beerdigungsinstitut, das den Trauernden einen Sarg für 32.000 Mark aufschwatzte, der sonst mit 5.000 Mark gehandelt wird.

In die Bilanzen läßt sich die Totenbranche nur höchst ungern gucken. Der Vertreter eines Verbrauchervereins im Bestattungswesen beklagte, er versuche seit Jahren, die bundesweiten Friedhofsgebührenordnungen zu vergleichen. Ein hoffnungsloses Unterfangen: Die Gebührensätze seien zwar „im Prinzip alle öffentlich, werden aber gehütet, als stünde Zerberus davor“. Schlechte Erfahrungen machte 1988 auch die Stiftung Warentest, die Bestattungsunternehmen anschrieb, um die Beerdigungskosten zu vergleichen. Der Rücklauf war äußerst gering, hatte offenbar zum Boykott aufgerufen. Man entdecke „Unregelmäßigkeiten“, skurrile Rechnungsposten und „juristisch zumindest bedenkliche“ Vertragsklauseln. Fazit: „Trauer trübt den Blick.“

In Aachen klangen Geschäftsinteressen nur am Rande durch. Etwa als ein Friedhofsverwalter von seiner cleveren Preispolitik berichtete: „Bei uns sind Urnen- und Reihengräber am teuersten, sonst ist der Friedhof doch in fünf Jahren voll.“ Oder als Kinder einmal als „Kunden von morgen“ bezeichnet wurden. Vieles aber kann nur deshalb geschehen, weil die meisten das Thema zeitlebens verdrängen.

Die Tagung schloß gestern fachspezifisch: mit einem Spaziergang über den Aachener Westfriedhof. Und so machen sie weiter wie immer unter dem Samtmantel der Pietät. In aller Grabesstille.

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