Sanssouci: Nachschlag
■ Dieter „Nuhr am Nörgeln“ im Kabarett Wühlmäuse
Seien wir doch mal ehrlich: Die Generation der Thirtysomethings ist im Grunde genommen fade, öde und mopsig. Und das war schon immer so. Die alten 68er halten diese Generation naturgemäß für viel zu lasch, unrebellisch und phlegmatisch. Der Twen von heute sieht das eigentlich kaum anders. Schließlich ist der Mittdreißiger in seinen Augen völlig untrendy, wenn nicht sogar scheintot – ein 35jähriger hat auf einem Tekkno-Rave im Grunde genommen genausowenig zu suchen wie ein taz-Leser auf einem FDP-Parteitag. Doch was macht das Wesen des Ex- Twen eigentlich aus, dessen Vorbilder weder Che Guevara noch Franzi von Almsick heißen, sondern Walter Sparbier? Was ist ihm eigen? Der Düsseldorfer Kabarettist Dieter Nuhr hat seine Generation kritisch durchleuchtet und kam sogar zu einem befriedigenden Ergebnis: „Wir sind eine Generation der Stoffsäckchen. Jute statt Plastik – das waren wir!“
Nach feinster Rheinländermanier zieht Nuhr über sich selbst und seine Altersgenossen her, die in den siebziger Jahren gekleidet waren „wie Sascha Hehn in seinen frühen Rammelfilmen“. Wobei er ganz nebenbei kalauernderweise politische Themen streift. Zum Stichwort Umwelt: „Was ist die beste Verpackung für Milch?“ Nicht etwa die gute alte Pfandflasche, sondern „die Kuh, denn die kann man gleich mitessen“. Gleichzeitig kann Dieter Nuhr – wenn auch nur für wenige Sekunden – die Stimmung des Publikums, das gerade noch Tränen gelacht hat, mit seinen Gedankenspielen zum Rechtsextremismus in den Keller ziehen. Ein Thema, das in einem Programm wie dem seinen eigentlich nichts verloren hat, aber dennoch funktioniert.
Nichtsdestotrotz reagiert das Auditorium dankbar darauf, wenn Nuhr ganz locker weiterschweift und über alltäglichen Kleinscheiß lästert. Über den Unbill beispielsweise, den das Einkaufen am Samstagmorgen so mit sich bringt, oder darüber, daß er es immer noch nicht geschafft hat, den Pudel seines Nachbarn totzufahren. Oder über das Ärgernis, daß die Hersteller von Nutella auch nach 20 Jahren immer noch keine Lasche an das Papiersiegel unter dem Schraubverschluß angebracht haben, weshalb man sich bei jeder Entjungferung eines Nutellaglases immer wieder und unweigerlich einen Schokoladenrand unter den Daumennagel rammen muß. „Reality-Kabarett“ nennt man das, was Dieter Nuhr auf der Bühne veranstaltet. Anderthalb Stunden lästert er gekonnt und gepflegt im Stil der englisch-amerikanischen Stand-up-Comedy: Ein Satz, ein Witz. Kirsten Niemann
„Nuhr am Nörgeln“, bis 31.1. täglich außer montags 20 Uhr, Kabarett Wühlmäuse, Nürnberger Straße 33
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