Onkels von rechts

Gruftis für Deutschland: Die „Junge Freiheit“ schmeißt sich an die Dark-Wave-Szene ran. Hauptsache keine „angloamerikanische Kulturindustrie“  ■ Von Thomas Winkler

Fronten sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Vor wenigen Jahren machte eine Heerschar von Fascho-Bands klar, daß selbst im Punkrock die Zeiten vorbei sind, in denen eine bestimmte Musik und die dazugehörige Jugendbewegung automatisch links verortet werden können. Ähnliches geschieht momentan in der sonst so abgeschlossenen Dark-Wave- Szene. Jahrelang kümmerte man sich dort nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit um die Blumen des Bösen, gab sich einer romantischen Todessehnsucht hin und kokettierte mit dem Okkulten. Einzig der Sensationsjournalismus von Bild bis „Explosiv“ durchbrach hin und wieder den gemütlichen Autismus der Gothics, um aus dem nekrophilen Spaß eines kleinen Teils der Szene verzerrte Schauergeschichten zu basteln, in denen schwarzgewandete Spinner auf Friedhöfen schwarze Messen lasen oder gleich Leichen ausbuddelten.

Doch mit der beschaulichen Nabelschau ist es seit dem 26. Januar erst mal vorbei. Da erschien in der Jungen Freiheit, dem intellektuell aufgeschäumten Hausblatt des modernen Faschisten, ein Bericht über die alljährliche Preisverleihung des wichtigsten Fanzines der Dark-Wave-Szene, Zillo. Zur positiven Gegenbewegung, zu „einer neuen Art von Jugendkultur“ gegen die „angloamerikanische Unterhaltungsindustrie“ erklärt ein Roland Bublik dort den Dark Wave, „antimodernistisch“ sei die Szene und besitze eine „Sprengkraft, vor der sich alteingesessene Sittenwächter des Musik-Mainstream in acht nehmen“ müßten. Schon zuvor hatte die JF halbwegs kontinuierlich über diese Musik berichtet, aber was die Grufties der Republik diesmal aufscheuchte, war die Tatsache, daß zeitgleich in ihrem Zentralorgan Zillo eine Anzeige der JF erschien.

„Vielleicht bin ich einfach naiv“

Zillo-Herausgeber Rainer Ettler zählte zwar nur „sechs oder sieben Leserbriefe und ein paar Anrufe“ in der Redaktion des Lübecker Magazins, aber sah sich doch gezwungen, sich mit den neuen Freunden zu beschäftigen, und verfaßte eine „Klarstellung“: Ein „Fehler, den wir im nachhinein einsehen“, sei das Erscheinen der Anzeige gewesen. Ansonsten werden alle Vorwürfe, „unser Zillo würde in die rechtsradikale Ecke abdriften“, zurückgewiesen und die „Unabhängigkeit“ des Magazins beschworen: „Nie hat es auch nur die Andeutung einer radikalen Tendenz gegeben.“

„Vielleicht bin ich naiv“, lehnt Ettler im Gespräch jedes weitere Nachdenken über politische Implikationen ab, „die JF will neue Leser gewinnen, deshalb haben sie die Anzeige geschaltet. Vielleicht sind sie nächste Woche in der Bravo drin, das interessiert mich im Grunde auch nicht.“ Eigentlich versteht er die Aufregung um die „12tel Seite“, die die Anzeige einnahm, überhaupt nicht. „Ich bin unpolitisch“, verkündet er, und „wir haben uns einmal in die Nesseln gesetzt. Es wird nicht wieder vorkommen.“

Daß der JF-Artikel Dark Wave und seine Anhänger in die rechte Ecke rückt, kann oder will Ettler nicht erkennen. „Ich finde, dieser Artikel ist mal gut“, meint er, „der ist gelungen und objektiv.“ Nur das Umfeld sei natürlich nicht sonderlich günstig, aber prinzipiell freue er sich über jeden Artikel, der die Dark-Wave-Szene nicht so verzerrt darstelle, „der nicht voller Vorurteile ist“, wie es sonst üblicherweise auch in den bürgerlichen Medien geschehe. „All diese Satanismus-Vorwürfe“, wie erst kürzlich wieder in der ARD von „Report München“ sensationsheischend verbraten, hält er für viel gefährlicher. Daß Nik Fiend, Sänger der Kult-Combo Alien Sex Fiend und als Gast bei der Zillo- Preisverleihung dabei, in der JF durch aus dem Zusammenhang gerissene Zitate zum Nationalisten gestempelt wurde, dem will Ettler dadurch entgegentreten, daß er die Rede von Fiend im Wortlaut verbreitet und demnächst in Zillo abdruckt. Da läßt sich dann nachlesen, daß das „Plädoyer für nationale Identität“ des „Ex-Punks“ (JF) in erster Linie ein Aufruf war, an Independent-Strukturen festzuhalten.

„Schwerpunktmäßig Idenpendent-Szene“

Von der JF eine Stellungnahme zu bekommen, stellte sich als nahezu unmöglich heraus: Ein Telefoninterview wurde verweigert, das Fax mit den vorformulierten Fragen verschwand. Eine Woche und mehrere nicht eingehaltene Termine später kam ein Antwortfax, das sich ahnungslos gibt: Zu den mißverständlichen Zitaten „kann ich nichts sagen“, erklärt Chefredakteur Dieter Stein, und „Zillo war interessant, weil wir in mehreren Ausgaben derzeit schwerpunktmäßig zur Independent- Szene schreiben.“

Für andere ist die Sache noch nicht erledigt. Alexander Veljanow, Sänger von Deine Lakaien, glaubt, „die Junge Freiheit versucht, diese Szene für sich zu vereinnahmen. Die betonen immer die Kulturgeschichte Deutschlands, und daß man endlich diesen angloamerikanischen Einfluß auf die deutsche Kultur abwehren muß. Und daß man stolz sein kann auf die Dark-Wave-Szene, weil da so viele deutsche Musiker mit deutschen Texten deutsche Werte wieder aufgreifen.“

Veljanow sieht, ähnlich wie Ettler, vor allem die Gefahr, daß die Medien, die der Szene eh mit Unverständnis bis Antipathie gegenüberstehen, die Annäherungsversuche nutzen, um neue Schauergeschichten drucken zu können: „Diese Zeitgeistmagazine wie Prinz oder Tempo, die warten doch nur darauf, das Genre in die antisemitische Ecke zu schieben.“ Es könnte passieren, daß Gothics, die sich in der Szene nicht mehr wohl fühlen, weil deren autistische Abgeschlossenheit in den letzten Jahren (u.a. durch Chartserfolge von Bands wie Deine Lakaien) langsam aufgeweicht wurde, „diese rechte Ecke als neue Insel sehen“. Eine Insel, auf der sie weiter ihrem Elitegedanken mit Hang zur Provokation frönen können.

„Es ist wichtig, daß alle Leute, die in der Szene sind, ob Labels, Medienleute oder Musiker, sich ganz deutlich distanzieren“, vertraut Veljanow auf Selbstreinigungskräfte, „denn eigentlich ist die Szene zu links. Natürlich sind auch viele apolitisch, aber wenn es aufgedeckt wird, kann es eigentlich nicht funktionieren.“