Tränen, Völkerfreundschaft

■ Feindliche Elefantenhorden! Vier Filme im Burma-Sonderprogramm im Forum

Burma (Myanmar) liegt zwischen den großen Filmländern China und Indien – und das merkt man vielen burmesischen Filmen trotz aller Eigenwilligkeit auch an. Bislang war das burmesische Kino in der Restwelt fast unbekannt, doch seit die Militärregierung eine vorsichtige Öffnung des Landes propagiert, ist eine gewisse Annäherung möglich geworden. Das Internationale Forum hat die Gelegenheit genutzt und stellt in einem Sonderprogramm burmesische Filmklassiker und Kinopioniere vor.

Aus dem Jahr 1934, als Burma noch zu Britisch-Indien gehörte, stammt der actionreiche Stummfilm „Mya Ga Naing“ (Der smaragdgrüne Dschungel) von Maung Tin Maung. Der Film spielt in einem Sägewerk, mitten im Dschungel. Dort lebt die hübsche Myint mit ihrem Opa. Myint ist selbstbewußt und versteht mit Feuerwaffen umzugehen, nur schwimmen kann sie nicht. Deswegen wäre sie eines schönen Tages fast ertrunken, wäre nicht zufällig Chit Shwe des Weges gekommen. Auch wenn ihr der Lebensretter auf Anhieb gut gefällt – bevor die beiden ein Paar werden, müssen sie einige Mißverständnisse bereinigen.

Chit Shwe ist nämlich seinerseits in Schwierigkeiten: aus Geldnot hat er einen Mord gestanden, den er gar nicht begangen hat, um auf diese Weise an das Kopfgeld zu kommen... Auf der Flucht vor der Polizei und im Kampf gegen die tigerfellbejackten Teakholzräuber kommt es zu wilden Verfolgungsjagden. Und hinter jeder Liane lauern die Gefahren des Dschungels: Schlangen, Tiger, feindliche Elefantenhorden! „Mya Ga Naing“ ist im Grunde ein früher, burmesischer James-Bond-Film. „Mon Shwe Yee“ (1970) dagegen spielt im urbanen Theatermilieu und gehört zum Genre des klassischen Erzählkinos mit großen Gefühlen.

Zwei befreundete Männer haben sich in die berühmte Sängerin und Tänzerin Mon verliebt. Nachdem die erste Ehe an der Eifersucht des Komponisten gescheitert ist, nimmt das Schicksal seinen melodramatischen Lauf. „Mon Shwe Yee“ ist ein knapp dreistündiges Epos, dessen Popularität in Burma mit den Tanz-und Gesangsdarbietungen erklärt werden kann. Noch entscheidender für den Erfolg dürfte indes sein, daß „Mon Shwe Yee“ dem Publikum mannigfache Gelegenheit zum Weinen gibt.

In „Nay chi pyar hma ngwee thaw gyaunt“ (Warm wird es nur, wenn die Sonne scheint, 1977) gibt es viel von dem, was man in Burma nun überhaupt nicht erwartet: Schnee! Der Film spielt in den nördlichen Himalaya-Ausläufern des Kachin-Staats, wo nach stolzem Bekunden des Regisseurs U San Shwe Maung nie zuvor ein Film gedreht wurde. „Wahrscheinlich war es auch der letzte!“ U San Shwe Maung, in Burma als Schaupieler und Regisseur bekannt, ist Arakanese und gehört damit zu einer der vielen ethnischen Minderheiten im Vielvölkerstaat Burma. In all seinen Filmen macht er die Multikultur des Landes zum Thema, derzeit arbeitet er z.B. an einem Film über den Drogenhandel im Goldenen Dreieck. In „Nay Chi pyar...“ spielt der Regisseur auch die Hauptrolle: als Arzt aus Rangoon muß er vor falschen Anschuldigungen wegen unterlassener Hilfeleistungen die Hauptstadt fluchtartig verlassen. Der Zufall verschlägt ihn in den Kachin-Staat, wo er eine junge Lehrerin kennenlernt, die ihrerseits vor einer arrangierten Heirat geflohen ist. Die beiden finden sich und den Sinn des Lebens in einem kleinen Dorf. Viele der Anspielungen auf das komplizierte Zusammenleben in Burma sind einem ausländischen Publikum nicht leicht zugänglich, dennoch vermittelt „Nay chi pyar....“ einen schönen Eindruck von dem, was in Burma unter „Völkerfreundschaft“ verstanden wird. Dazu gehört nicht zuletzt eine romantische Floßfahrt zu der in Burma beliebten „Moon-River“-Melodie.

Auch in dem neuesten Film der in Berlin lebenden Regisseurin Lindsey Merrison geht es um Burma. „Our Burmese Days“ heißt der Titel, der zurecht auf George Orwells fast gleichlautenden Roman anspielt. Merrisons Mutter ist anglo-burmesischer Herkunft, was sie ihren in England geborenen Kindern aber lange verschwiegen hatte. Der Film dokumentiert die erste Reise der Mutter zurück in die alte Heimat.

Bei den Verwandten in Burma und vor der exotischen Kulisse des fernen Landes spielen sich denkwürdige Szenen ab: eine Familiengeschichte, die tragisch und komisch ist wie viele, die jedoch einzigartig wird durch den kolonialen Hintergrund, vor dem sie spielt. Und den versteht der Film auf sehr persönliche Weise zu beleuchten. Merrisons Mutter ist eine Gestalt, die dem Orwell'schen Roman sehr nahe kommt. Mit ihren Macken, ihrem Humor und ihrer Starrsinnigkeit verkörpert sie das Erbe des kolonialen Empires aufs Schönste auf beiden Seiten. Dorothee Wenner

Die Autorin ist Burma-Spezialistin und Mitglied der Auswahlkommission des Forums

„Mya Ga Naing“, heute: 17.30 Uhr im Arsenal, 18. 2.: 11 Uhr im Delphi; „Mon Shwe Yee“, morgen: 19 Uhr in der Akademie der Künste; „Nay chi pyar...“, heute: 20 Uhr im Arsenal; „Our Burmese Days“, heute: 22.30 Uhr im Arsenal, morgen: 17 Uhr in der Akademie der Künste