Nebensegen der Flügelbauten

■ Gibt es bald eine Uni-Gedenkstätte für die „Weiße Rose“?

Die Universität der Hansestadt plant eine „Denkstätte“ zu Ehren des Hamburger Zweigs der „Weißen Rose“. Unter den acht Todesopfern, die die antinazistische Widerstandsgruppe hier zu beklagen hatte, waren vier Studenten der Hochschule.

Zur Zeit arbeitet die Münchner „Stiftung Weiße Rose“ an einer abschließenden Dokumentation über das Wirken des Hamburger Kreises, zu dem fast 50 Personen gehörten. „Ende 1996 soll die Arbeit abgeschlossen sein“, sagt Initiator Franz J. Müller, damals in Ulm selbst im Widerstand. Die Hamburger Uni hat inzwischen grünes Licht für eine ständige Ausstellung gegeben. Einziges Problem: die Raumnot.

„Wir sind sehr daran interessiert, eine Stätte im Gedenken an den Hamburger Zweig der „Weißen Rose“ einzurichten. Im Zusammenhang mit der Errichtung der ,Flügelbauten' zum Hauptgebäude der Universität werden wir geeignete Räume zur Verfügung stellen“, sagt Uni-Präsident Dr. Jürgen Lüthje. Eine Konzeption müsse noch erarbeitet werden. Vorschläge werden von den akademischen Gremien in den nächsten Monaten zur Beratung vorgelegt.

Die Zeit, das Thema aufzuarbeiten, drängt. Nur noch wenige der Nazigegner leben noch. Einer, der Gestapo-Verhöre und die ständige Todesdrohung am eigenen Leib miterlebt hat, ist Dr. Albert Suhr. Sein „Verbrechen“: Er kopierte als junger Student regimefeindliche Flugblätter, las mit Gleichgesinnten verbotene Literatur und diskutierte über deren Inhalt. Der 75jährige erinnert sich: „Wir leisteten aus humanistischen Gründen Widerstand. Mein Mitstreiter Kucharski sagte damals, wir müßten unbedingt etwas tun. Alles andere sei Lyrik.“

Sein Engagement bezahlte Suhr fast mit dem Leben. Im September 1943 wurde er von der Gestapo verhaftet. Er kam ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel (Kolafu), wo in der Nazizeit durch Mißhandlungen, Folter und Haftbedingungen 250 Menschen starben.

Im November 1944 wurde Albert Suhr mit einem Dutzend Mithäftlingen ins Landgerichtsgefängnis nach Stendal verlegt. Dort wartete er auf den Prozeß vor dem berüchtigten Volksgerichtshof. Doch Suhr hatte Glück im Unglück: „Vier Tage vor Prozeßbeginn befreiten die anrückenden amerikanischen Truppen uns.“ Albert Suhrs Leben wurde gerettet, seine Gesundheit war aber ruiniert. Aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen mußte er noch ein Jahr lang eine doppelseitige Lungentuberkulose im Sanatorium auskurieren.

Volker Stahl