Weniger Demokratie wagen

■ Kritik an Bezirksverwaltungsreform wächst / Senat will heute entscheiden

Will Hamburg Demokratie und Entscheidungskompetenz in den Stadtteilen stärken oder sollen die Bezirke noch enger an die Leine des Senats gelegt werden – darüber streitet Hamburgs politische Kaste seit 1949. Heute vormittag muß sich der Senat wieder einmal mit der unendlichen Geschichte der Bezirksverwaltungsreform befassen. Auf dem Tisch liegt ein Entwurf von Justizsenator Wolfgang Hoffmann-Riem: die mittlerweile vierte Überarbeitung eines Vorstoßes von Henning Voscherau Mitte der 80er Jahre.

Während der Bürgermeister seit jeher die schon heute schwache Position der Bezirke weiter marginalisieren möchte, hatte der Jurist Hoffmann-Riem als unabhängiger Wissenschaftler vor seinem Eintritt in den Senat noch für mehr Demokratie und eine Stärkung der kommunalen Ebene gefochten. Ein Breitbandbündnis von SPD-Bezirkspolitikern, Grünen, FDP, CDU, Statt-Partei und weiten Teilen der SPD steht hinter diesen Positionen, deren weitestgehende Variante gestern der GAL-Abgeordnete Martin Schmidt noch einmal pointierte:

– Wahl der BezirkschefInnen und der Dezernenten durch die Bezirksversammlungen,

– Demokratisierung des Wahlrechts mit Kumulieren, Panaschieren, Volksbegehren und Volksentscheid auf Bezirksebene.

Hoffmann-Riems Vorschlag dagegen folgt – wie der seines Vorgängers Hardraht – immer noch dem Grundgedanken Voscheraus: Die Bezirke, schon heute mehr Verwaltungsstellen als kommunale Einrichtungen, sollen effektiviert und stärker der Zentralgewalt unterstellt werden. Die BezirksamtsleiterIn wird Angestellte des Senats, die wenigen Rechte der Bezirksversammlung werden noch weiter reduziert.

In den Bezirken wird Hoffmann-Riems Vorlage parteiübergreifend als „Mogelpackung“ und „Etikettenschwindel“ abgelehnt. Jetzt wartet die politische Kaste Hamburgs auf ein Machtwort Henning Voscheraus, der seit langem zum Thema Bezirksverwaltungsreform schweigt. Sie wartet, so meint ein intimer Voscherau-Kenner, wohl vergeblich: „Voscherau gehört zu jener Klasse von Politikern, die unter Druck in Entscheidungsunfähigkeit erstarren.“ fm

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