Null Brokatambiente

■ Michael Bolton war in Hamburg

Er hat in seinem Heimatland USA wahrscheinlich mehr Fans als Michael Jackson: Doch anders als der Disneyprinz hat Michael Bolton auch richtige Feinde. Er zieht Haß auf sich, kaum mehr Spott, denn dazu hat der Mann, der heute 43 Jahre alt wird, viel zu viel Erfolg. Hierzulande darf er eine treue Gemeinde von „Kuschelrock“-Gefolgsleuten zählen.

Und die waren am Montag abend genau dort versammelt, wo am ehesten die Romantik der Postmoderne gelungen zu inszenieren ist – in der Alsterdorfer Sporthalle, in diesem schnörkellosen Palast, der selbst Sängern wie Bolton den schlichten Rahmen verleiht, den sie verdienen. Der Mann taugt eben für kein Brokatambiente. Rührend deshalb, wie das Publikum – das freilich mit dem Makel herumlaufen muß, nicht bei einer ausverkauften Veranstaltung gewesen zu sein – Feuerzeuge zum Leuchten bringt.

Was der Amerikaner mit seiner unauffälligen, eher schluchzend-virilen Stimme – so eine Mischung aus Cocker und Liberace – singt, ist Mittelklassemucke vom Feinsten. Harmlos, doch im Ausdruck stets so, als ginge es um das Allerletzte. Bolton ist der König der Interpreten, die aus jeder Musik Gefühle herausfiltern, um Eindrücke von Gefühlen dafür hineinzumischen.

Ein Supermarktbarde, ein Sexheld der Vorstädte, der aus allem Material mittleren Mist macht und damit gigantischen Erfolg hat. Der letzte Rocker sozusagen, zahnlos und nett. Sich aneinanderschmiegende Liebespaare, Männer und Frauen beim Küssen, beim innigen Sich-im-Arm-halten: Solche, ja, authentischen Reaktionen würde ein Bolton nie auch nur andeutungs- weise auf den Arm nehmen, ob aus Kalkül oder aus Herzensbildung – wer will das schon so genau wissen? Jan Feddersen