: „Suche nach nichtdeutschem Täter“
■ Lübecker Brandopfer werfen Staatsanwälten Einseitigkeit vor
Widersprüche. Einen Tag nachdem die Lübecker Staatsanwaltschaft am Donnerstag erklärt hatte, sie habe den der Mordbrennerei an dem Lübecker Flüchtlingsheim beschuldigten Libanesen Safoan Eid abgehört und dadurch den „Tatverdacht erhärtet“, wandten sich die ehemaligen HeimbewohnerInnen an die Öffentlichkeit: um die Unschuld ihres ehemaligen Mitbewohners zu beteuern und die Anschuldigungen von Staatsanwaltschaft und Medien zu widerlegen.
So soll Eid gegenüber einem Onkel die Tat gestanden haben – doch der Onkel existiert gar nicht. Auch dafür, daß der Beschuldigte während der Haft angeblich um himmlische Vergebung gebeten habe, hat sein Bruder Mohammed eine einfache Erklärung: „Alle Moslems üben im Fastenmonat Ramadan Buße – egal ob sie sich für irgend etwas schuldig fühlen oder nicht.“
Die Flüchtlinge erneuerten darüber hinaus ihre Vorwürfe gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft: Stundenlang seien schwerverletzte Brandopfer ohne Pause verhört worden, wobei es von Seiten der Ermittler immer wieder zur Vorverurteilung des als „Täter“ bezeichneten Beschuldigten gekommen sei. Den Verhörten sei dabei einiges in den Mund gelegt worden, was sie nie gesagt hätten, manche Aussagen seien durch Übersetzungsfehler verfälscht worden.
Zudem hätte der nur gebrochen deutsch sprechende Safoan Eid – selber nur knapp den Flammen entkommen – dem ihn schwer belastenden Feuerwehrsanitäter in der Brandnacht nicht mitgeteilt: „Wir waren es“, sondern: „Sie waren es“. Damit habe er, weiß Bruder Mohammed, „seinem Verdacht Ausdruck verliehen, daß rassistisch motivierte deutsche Gewalttäter die Unterkunft in Brand gesetzt“ hätten. Mohammed Eid ist deshalb sicher: „Wenn es einen gerechten Richter gibt, kommt mein Bruder bald wieder raus.“
Burkhard Kehren vom „Antirassistischen Telefon“ beschuldigte die Staatsanwaltschaft, auf „der Suche nach einer nichtdeutschen Täterschaft“ Safoan Eid zum Mordbrenner abzustempeln. Das rassistische Gewalttreiben aber gehe weiter. In der Nacht zum Donnerstag brannte in der Lübecker Julius-Leber-Straße ein historisches Gänge-Haus vollständig aus. Die 26 BewohnerInnen, darunter eine türkische und eine griechische Familie, konnten sich retten. Nach dem Brand wurden in einem angrenzenden Durchgang Hakenkreuz-Schmierereien entdeckt.
Marco Carini
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen