Im Unterhaltungsstechschritt

■ Tapsige Fellmonster und Holly und Wood: „Cinema“ im Friedrichstadtpalast

Spätestens als Cleopatra zu orientalischen Klängen auf einem Stofflöwen durch die Lüfte schwebt, ist klar: Hollywood ist doch nicht an der Spree. An der Spree steht statt dessen der Friedrichstadtpalast. Und der will Ost und West über den fernsehfreien Abend retten. Mit der neuen Revue „Cinema“ soll die große Welt des Kinos für Unterhaltung sorgen, und zwar im Tanzschritt von Europas bekanntestem Revueballett. Das Götterpaar Juno und Zeus – hier heißen sie Holly und Wood! – führt ein von Kopf bis Fuß auf Verzauberung eingestelltes Publikum durch vier Bühnenbilder, die die Genres des Films darstellen.

Vor den Kulissen von „Metropolis“ tanzen schwarze Lackladies zu „I can‘t get no satisfaction“ oder kommt ein Schub Damen in silbernen Roboterkostümen im Unterhaltungsstechschritt auf die Bühne. Getanzt wird leidenschaftlich viel, doch selten beeindruckender als beim Aerobic-Abend im FEZ Friedrichshain.

Mit einem Luxusliner der Illusionen reist das Revueballett im zweiten Bild an. Abend für Abend soll das „Schiff der Träume“ in den Fluten versinken. „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“ singt da mit schwerer Stimme eine Blondine im geschlitzen Schwarzen, und dem Publikum wird endlich warm. Dracula ist an der Reihe, wenn es um den „Thriller“ geht. Und vor fünfarmigen Kerzenhaltern spielt sich die dreiviertel Stunde der „Monster, Mumien und Mutationen“ ab.

Tapsige Fellmonster mit Glühaugen torkeln auf die Bühne, und in den ersten Reihen des Publikums veranstalten verkleidete Freaks ein Ringelreihen mit leuchtenden Totenköpfen an der Angel. Dafür, daß keiner das Theater mit einem Schauder verläßt, wird natürlich gesorgt. Hier triumphiert die Feierabend-Harmonie.

Warum ausgerechnet im Genre des „Thrillers“ ein rasanter und nicht ungefährlicher Eistanz zum „Spiel mir das Lied vom Tod“ aufgelegt wird, weiß wahrscheinlich nur der Regisseur Jürgen Nass. Noch ruhiger und beschaulicher als diese Revue sowieso schon ist, wird es, wenn die weißen Federboas in den Händen der Damen mit den Einheitsbeinen „das Gute und das Böse aus der Welt des Fantasy-Films“ in die Zuschauerreihen fächeln.

„Cinema“ ist im Vergleich zur letzten Revue „Sterne“ eine Enttäuschung. Statt Akrobatik und Zauberei gibt es noch mehr Szenenwechsel und bunte Kostüme. Mit Laserspielen wird immer dort für Spannung gesorgt, wo gar keine ist. Ein Lichtblick sind die acht Akrobaten „Peresvoni“ am Trapez. Bis zu ihrem Auftritt kurz vor der Pause muß man sich mit Kinoschlagern wie „Ein Freund, ein guter Freund“ oder „Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ selbst bei Laune halten.

Die russischen Künstler wechseln am Trapez, das wie zwei Großrahen der Gorch Fock auf der Bühne steht, mit tollkühnen Saltos ihre Partner. Wäre das Netz nicht aufgespannt, hätte es am Dienstag einen Unfall gegeben. Doch die Künstler landeten revuekompatibel geschmeidig im Netz, und daß ihre Hände überhaupt abgeglitten waren, machte die Nummer eigentlich nur lebendiger. Genau diese Unwägbarkeit geht der „Cinema“-Show ab. Nora Sobich

Täglich 20 Uhr, Friedrichstadtpalast, Friedrichstraße 107