Nettikette reicht nicht

■ Besserer Datenschutz in den neuen Netzen wird auf der CeBIT gefordert

Hannover (taz) – Dringend und schnell bedarf es des Datenschutzes in jenen Kommunikationsnetzen, durch die man weltweit surfen kann. Darüber waren sich die Datenschützer und die beiden Vertreter von Wirtschaft und Wissenschaft einig, die gestern auf der Computermesse CeBIT in Hannover über „Freie Fahrt in Datennetzen?“ und den „Datenschutz bei der Telekommunikation“ diskutierten.

„Durch gesetzliche Regelungen müssen die Persönlichkeitsrechte der Nutzer der neuen Kommunikationsnetze geschützt werden“, so faßte Werner Schmidt, Mitarbeiter des Bundesbeauftragten für Datenschutz, jene Forderungen nach mehr Datenschutz etwa auch im Internet zusammen, die seit langem auch die Wirtschaft gegenüber der Politik erhebt.

Die Verhaltensregeln, die sich Internetsurfer selbst auferlegen, die „Nettikette“, sei allein zum Persönlichkeitsschutz nicht ausreichend. Denn etwa bei den Online- Diensten entstehen immer noch umfangreiche personenbezogene Dateien über jeden Nutzer. Jeder Verbindungsaufbau wird mit Datum und Uhrzeit protokolliert und gespeichert. Datenschützer Werner Schmidt wünscht sich demgegenüber einen „Netzknoten, der zwar seine Funktion erfüllt, aber ansonten blind, taub und stumm ist“.

Da es diesen idealen Knoten bisher nicht gibt, verlangte Schmidt für die Speicherung von Nutzerdaten zumindest eine strikte Zweckbindung und eine zeitliche Befristung. Die Einwilligung zur Speicherung von Nutzerdaten müsse von vornherein immer zeitlich und die Verwendung dieser Daten auf vertraglich genau abgegrenzte Zwecke begrenzt werden. Falls die Daten dennoch mißbraucht würden, müsse der Serviceprovider schadenersatzpflichtig sein.

Die derzeit diskutierte europäische ISDN-Richtlinie folgt allerdings solchen Vorstellungen keineswegs. Sie sei ein Rückschritt, befand Schmidt, weil sie die Zweckbindung der gespeicherten Daten nicht kenne. Auch bei den anderen gesetzlichen Regelungen hakt es seiner Auffassung nach: Beim angekündigten Multimediagesetz streiten Bund und Länder noch über die Gesetzgebungskompetenz.

Am Telekommunikationsgesetz, das gerade in Bonn beraten wird, kritisierte gestern auch der Hamburger Datenschutzbeauftragte die Absicht, die zeitweise Protokollierung aller Fernsprechverbindungen für Telefonkunden obligatorisch zu machen.

Der Vertreter des Bundesbeauftragten sah in solchen Regelungen die Tendenz, „den Überwachungsbedürfnissen der Sicherheitsbehörden nachzugeben“. Es gehe nicht an, alle Verbindungen erst aufzuschreiben, weil ja später vielleicht mal ein ermittelnder Polizist vorbeikommen könnte.

Den Bedürfnissen der Wirtschaft nach Datensicherheit will der Datenschutzbeauftragte vor allem durch eine gesetzliche Regelung über die Verschlüsselung von Daten und die elektronische Unterschrift entgegenkommen. Hier müßten aber weltweit einheitliche Regeln geschaffen werden. Der Datenschutz in den neuen Netzen sei ein Thema, das mehrere hundert Millionen Menschen gleichzeitig betreffe. Jürgen Voges