Die Leiche Vulkan wird gefleddert

Der Konkurs der Muttergesellschaft kommt, die Ostwerften und die profitablen Betriebsteile gehen. Die Westarbeiter sind gegen eine Bevorzugung der KollegInnen an der Ostseeküste  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Das größte deutsche Werftenunternehmen, die Bremer Vulkan Verbund AG, steht vor dem endgültigen Aus. In den nächsten Wochen braucht der Verbund mehr als eine Milliarde Mark, um seine Verbindlichkeiten zu begleichen. Doch Kredite bekommt das Unternehmen mangels Sicherheiten keine, also kommt die Pleite bis zum Ende des Monats. Nun wird die Leiche gefleddert.

Die Unternehmen Volkswerft in Stralsund, MTW Schiffswerft in Wismar und das Rostocker Dieselmotorenwerk warten auf eine Milliarde Mark. Nach der Wende hatten sie insgesamt 1,5 Milliarden von der Bundesregierung bekommen, um auf Weltniveau zu kommen. Die Mitgift leitete die Bremer Mutter Vulkan aber in ihre leeren Westkassen. Der Bund will nun mit einer zweiten Rate das Überleben der Ostwerften sichern. Das Land Mecklenburg-Vorpommern soll an die 350 Millionen Mark für das zweite Aufgebot mitbezahlen. Das hat die CDU-Finanzministerin Bärbel Kleedehn letzte Woche mit Bundesfinanzminister Theo Waigel in Bonn ausgehandelt.

Vor allem das SPD-Wirtschaftsministerium im Land ist empört. „Wenn wir zwei Millionen Mark für ein Sportgelände brauchen, wehrt sich unser schwarzer Partner. Und nun dieser Riesenbetrag. Das gibt Chaos im Landeshaushalt“, meint Detlef Lindemann, Sprecher von SPD-Wirtschaftsminister Harald Ringstorff. Nach Schätzungen hat das Land bis zum Mai 300 Millionen Mark weniger Steuereinnahmen als vorausberechnet, bei einem Haushalt von etwa 12 Milliarden. Der wird sowieso zu einem großen Teil durch Transferzahlungen aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen. Für die Millionen der Werftensanierung müßte das Land neue Kredite aufnehmen.

Höhere Schulden, niedrigere Steuereinnahmen: „Mecklenburg- Vorpommern droht zum Mezzogiorno der Bundesrepublik zu werden“, vergleicht Lindemann die Situation mit Italien. Nach einer Studie braucht das nördliche Bundesland noch 26 Jahre, um beim Wohlstandsindikator Bruttoinlandsprodukt an den niedrigsten Stand im Westen, das Saarland, heranzukommen – wenn das derzeitige Wachstum anhält und die Zuschüsse aus Bonn nicht gestoppt werden.

2.000 Arbeiter im Westen protestierten gestern bei einer Aufsichtsratssitzung in Bremen gegen den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen. Sie forderten mit „Solidarität statt Lippenbekenntnissen“ eine finanzielle Gleichstellung des Vulkan-Verbundes mit den abgetrennten Ostbetrieben.

Für die profitablen Teile des Vulkan gibt es unterdessen schon Interessenten. 400 Millionen Mark sind nach Angaben des Deutschlandfunks für den Rüstungsbetrieb STN Atlas Elektronik geboten. Interessenten sind der Nürnberger Militärkonzern Diehl, nach Informationen von Radio Bremen zusammen mit dem amerikanischen Riesen Lockheed.