Ein Toast auf den Airbus

■ Befördert der Handel die Menschenrechte?

Die Ehrengäste vertraten sich verlegen die Füße, dem Chefkoch standen unter seiner weißen Mütze die Haare zu Berge. Das waren aber auch die einzigen Reaktionen auf die anderthalbstündige Verspätung, mit der die chinesische Delegation im Elysee-Palast zum Souper eintraf. Toasts wurden auf dem Bankett nicht ausgetauscht, um die Erwähnung der „Menschenrechtsfrage“ durch Frankreich und die Standardantwort Chinas, man bestehe auf dem Prinzip der Nichteinmischung, zu vermeiden. Trotz dieses schrecklichen Eklats agierten alle Seiten nach dem bewährten Drehbuch. Die eine Seite gibt vor, besorgt zu sein, die andere tut so, als sei ihr diese Besorgnis ein Ärgernis. Anschließend werden die Wirtschaftsverträge unterzeichnet.

Dabei wären die Chancen, durch ökonomischen Druck Chinas Realsozialisten ein Mindestmaß an Respekt für die Menschenrechte aufzuzwingen, besser, als sie es im Fall der Sowjetunion je waren. Denn das verblichene sozialistische Lager konnte sich im Ernstfall auf Autarkiepositionen zurückziehen. Chinas Ökonomie hingegen ist, gerade was ihr Modernisierungsprogramm anlangt, auf steigenden Außenhandel und vermehrte ausländische Direktinvestitionen angewiesen. Der Entscheid der chinesischen Kommunisten für den Markt war auch der Entscheid für den Weltmarkt.

Gerade dieser Umstand wird von vielen Chinaexperten ins Feld geführt, um verstärkte Interdepenz zu befürworten. Die Modernisierungseffekte, die von ausländischen Investitionen ausgingen, beträfen auch das Informations- und das Rechtssystem. Je enger die Zusammenarbeit, desto tiefgreifender die – mittelfristigen – innenpolitischen Rückwirkungen. Da es zudem zur Kommunistischen Partei keine Alternative gäbe, müsse deren innere Wandlung befördert werden.

Diese Art „Ableitung“ ist im Kern nichts als eine Rechtfertigungsideologie. Denn „dem Westen“ geht es keineswegs um demokratische Stabilität in China, sondern um Stabilität sans phrase. Er wär's zufrieden, wenn das Regierungssystem Singapurs auf die Volksrepublik übertragen würde. Aber leider, leider, das geht nicht. Die Kräfte des demokratischen Wandels müssen dort bestärkt werden, wo sie sich nun mal aufhalten – in der Opposition. Christian Semler