"Fett sein in der Rolle"

■ "In Haßliebe Lola" heißt Lothar Lamberts neuer Film. Berlins Antwort auf Andy Warhol ist in die Jahre gekommen. Gespräch mit einer "ollen Schrippe"

taz: Wie läuft dein neuer Film?

Lothar Lambert: Wenn ich „In Haßliebe Lola“ nur fürs Kino gemacht hätte, wäre ich total frustriert. Zum Glück ist es ja ein Fernsehfilm, der sich den Luxus einer Kinoauswertung gönnt. Und im Fernsehen ist es ein Erfolg. Der wurde ja fürs Dritte produziert und hat der Chefin da so gut gefallen, daß er in die Reihe vom Ersten – „Wilde Herzen“ – aufgenommen wurde, wo sonst nur junge Regisseure beteiligt sind.

Viele finden Fernsehen ja doof.

Früher hatte ich ja nur das Kino und hatte mich immer danach gesehnt, daß meine Filme mal gut genug sind, daß sie im Fernsehen gesendet werden. Meine Filme wurden ja immer als Schweinekram eingeschätzt: billig in jeder Hinsicht, gar nicht ernst zu nehmen und das färbt natürlich aufs Selbstwertgefühl ab. Wenn alle sagen, das ist scheiße, gibst du denen in deinen schlechten Momenten recht. Und wenn es im Fernsehen den Leuten zugemutet werden kann, dann kann es nicht so schlecht sein.

Als der Film vor einer Woche im Central (Mitte-Filiale des Eiszeit-Kino) lief, waren kaum Leute da und dann ging der Film noch kaputt kurz vor Schluß und ich hatte den Leuten den Schluß erzählen müssen. Sowas hätte mich früher total deprimiert. Heute nehme ich das mit Humor, auch wenn ich immer noch furchtbar aufgeregt bin, wenn ich selbst im Kino bin. Eine Woche vor dem Termin im Central war mein Blutdruck schon sehr hoch, weil ich wußte, ich muß da hingehen. Ich nehm' dann Betablocker dagegen.

Im Film gibst du dich ja eher ungehemmt.

Privat ist es ja was anderes. Baden gehen tue ich zum Beispiel überhaupt nicht mehr. Selbst vor dem Arzt mich nackt auszuziehen, ist mir ganz peinlich und ein großer Greuel. Wenn das aber im Film ist, trenn' ich das von meiner Person und sag': Ist doch ganz ulkig, man muß doch fett sein in der Rolle. Das ist doch der Sinn der Sache, daß du oll und häßlich und ulkig aussiehst. Da kann ich das dann auch machen, ohne mich zu schämen. Der Vorwurf, daß ich exhibitionistisch sei, trifft mich dann auch nicht, weil ich denke, das bin doch nicht ich, das ist doch diese Figur, die ich darstelle und irgendeiner muß doch die Rolle spielen.

Natürlich ist der Film für mich auch das risikolose Ausleben von Extremen, die ich mir als Mensch, der immer um Ausgleich bemüht ist und ununterbrochen von Ängsten geplagt wird, nicht traue.

Ist die Gesellschaft in Sachen Sex liberaler geworden?

Die Menschen werden sich immer für Sex interessieren. Das ändert sich nicht. Nur die Bewertung der Gesellschaft ändert sich da. Und so ändert sich auch die eigene Sichtweise. Wenn ich heute zum Beispiel meine alten Filme, wie „Fucking City“, angucke, krieg' ich erstmal einen Schreck, daß der fast nur von Sex handelt. Damals war mir das gar nicht bewußt. Wahrscheinlich ist das Klima inzwischen weniger freizügig. Heute empfinden das Darsteller jedenfalls oft als Zumutung, wenn sie nackt sein sollen. Früher waren sie schon nackt, bevor ich sie darum bitten konnte.

In Lola geht es ja ums Altern. Hast du da Probleme? Viele Schwule fühlen sich ja schon mit 30 steinalt.

Ich hab' nie zu dieser Szene dazugehört und mittlerweile auch kaum noch Kontakt zu Schwulen. Was die so bewegt – ihren Körperkult und so weiter – konnte ich nie nachvollziehen. Insofern empfinde ich das Älterwerden einfach nur dadurch, daß es mir auch gesagt wird, daß ich älter bin. In den Kritiken zum Beispiel. Während ich bis vierzig als Nachwuchs gehandelt wurde, las ich dann plötzlich, daß ich ein „Undergroundveteran“ bin. Mit einem Mal. Ich war immer Anfänger und dann plötzlich das alte Eisen. „Lola“ ist vor allem eine Bejahung dieses Zustandes. Ich zeig' da meinen dicken Bauch. Sogar mehr, als der ästhetisch anspruchsvolle Zuschauer vielleicht sehen will.

Das hat ja auch Praunheim in seinem letzten Film gemacht.

Das scheint ihn wirklich zu bedrücken. Mich bedrücken ganz andere Sachen. Daß einer meiner Stammdarsteller Aids hat oder daß man Krankheiten hat oder so was. Aber es ist auch seltsam: Wenn ich mir meine alten Fotos anschaue, bin ich mir selber ganz fremd. Das warst du? – Da verbinde ich gar nichts mehr mit. Andererseits verbinde ich auch nichts mit diesem älteren Herrn, der mir aus dem Spiegel entgegenschaut.

Wie ich mich fühle, das ist unabhängig von der äußeren Erscheinung. Man sagt ja: Die Seele bleibt bei 29 stehen. Darum sind auch öfter 80jährige so kokett. Sie sind im Altersheim und sagen: Ich bin ja nur von alten Leuten umgeben; das ist ja furchtbar.

Wenn man so sieht, was Jüngere ernst nehmen und woran sie leiden, da bin ich froh, daß ich das hinter mir habe. Und sonst? – Früher hatte ich gedacht, daß ich nie mit dem Tanzen aufhören könnte, dann hab' ich damit aufgehört; dann hab' ich gedacht, ich könnte nie mit dem Sex aufhören – hab' ich auch gut gepackt – und jetzt werde ich mich seelisch darauf einrichten, irgendwann mit dem Filmen aufzuhören.

Du bist ja auch Filmjournalist und Maler.

Zwei Monate war ich auch mal Dozent an der Filmakademie. Doch das ging mehr oder weniger schief. Die Studenten wollten immer nur Pulp-Fiction-Sachen machen. Die Frage, ob sie denn in ihrem Leben Verbrecher kennen würden, fanden sie genauso blöd wie meinen Vorschlag, doch mal auf die Straße zu gehen und zu schauen, was in der Wirklichkeit so los ist.

Interview: Detlef Kuhlbrodt

Bis 17.4., tägl. 19.15 Uhr im Eiszeit, Zeughofstraße 20