Liga der rasenden Riesen

Mit Kicker Manfred Burgsmüller und dem gewichtigen „Eisschrank“ William Perry startet die World League of American Football ins zweite Jahr  ■ Von Jens Plassmann

Berlin (taz) – Am Samstag startet die World League in Düsseldorf mit dem „Lokalderby“ zwischen Rhein Fire und der Galaxy aus Frankfurt in ihre neue Saison. 40 Millionen Dollar haben die NFL und der TV-Riese Fox des australischen Medienmagnaten Rupert Murdoch 1995 bereitgestellt, um den spektakulären Kampf um das Lederei auch auf dem alten Kontinent in den Rang einer respektablen Fernsehsportart zu puschen und neue Jagdgründe für das Milliardengeschäft Football zu erschließen. Vier Jahre Zeit wurden den Managern von ihren Finanziers für die Etablierung einer Liga eingeräumt, die 1991/92 in anderer Konzeption schon einmal gescheitert ist und der NFL runde 42 Millionen Dollar Verlust beschert haben soll.

In der neuen World League fehlen die amerikanischen Teams, die beim ersten Versuch kaum Zuschauer zu ihren Heimspielen locken konnten, die vielen Pausen während der Spiele sind im Vergleich zur NFL drastisch verkürzt, um das europäische Publikum nicht zu verprellen. Das erste Jahr verlief dennoch durchwachsen. Nicht zuletzt dank eines geschickten Spielmodus erreichte – und gewann – das Vorzeigeteam aus Frankfurt (Zuschauerschnitt knapp 30.000) zwar noch den World Bowl, das Happy-End konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Resonanz in anderen Städten arg zu wünschen übrig ließ. Finalgegner Amsterdam Admirals etwa zog trotz seiner neun Siege in zehn Saisonpartien im Schnitt nicht einmal 8.000 Fans ins Stadion. Und dann war da noch jener unangenehme Posten in der ersten Geschäftsbilanz, der auswies, daß die Liga bereits die Hälfte ihres Vier-Jahres-Etats aufgebraucht hat.

Trotzdem stehen die Aussichten für die neue Saison nicht schlecht. Mit Oliver Luck hat ein zuvor in Frankfurt und Düsseldorf erfolgreich wirkender Footballmanager die Leitung der World League übernommen und sich sogleich um eine Steigerung der Attraktivität seiner Liga bemüht. So wurde die Spielzeit der sieben „nationalen Spieler“ in jedem Kader auf mindestens 50 Prozent festgesetzt. Die sportliche Klasse hat man durch einen stärkeren Rückgriff auf aktuelle NFL-Profis anzuheben versucht, denen dieser verschärfte Aktivurlaub in Europa zu mehr Spielpraxis verhelfen soll.

Wie beachtlich das Spielniveau bereits im vergangenen Jahr war, zeigt die Tatsache, daß sich 37 Akteure aus der kleinen Liga danach auch einen Platz in einem Team der NFL erkämpfen konnten. Einer von ihnen, der Punter Darren Bennett von den San Diego Chargers, erhielt am Ende der Saison sogar eine Einladung in die illustre Pro-Bowl-Auswahl.

Bereits vor dem ersten Kickoff als Publicity-Erfolg erwiesen hat sich der Schachzug, neben dem sportlichen Talent diesmal auch einige bekannte Namen zu verpflichten. Weniger seinen schwindenden athletischen Fähigkeiten als seiner großen Popularität dürfte es William „The Refrigerator“ Perry verdanken, daß er seine drei bis vier Zentner Lebendmasse für die kommenden Wochen in ein Trikot der London Monarchs zwängen wird. Immerhin ist es schon ein Jahrzehnt her, daß der sympathische Eisschrank mit den Chicago Bears die Super Bowl gewann und bei einem anschließenden Gastspiel im Londoner Wembley-Stadion über 60.000 traditionelle Fußballfans erstmals für die seltsame Sportart von der anderen Seite des Atlantik begeistern konnte.

Auch die Rhein Fire aus Düsseldorf haben einen Oldie als designierten Publikumsliebling unter Vertrag genommen. Kein Geringerer als Ex-Bundesliga-Torjäger und Oberschlitzohr Manfred Burgsmüller (46) wird für das Team mit dem mahnenden Namen Kickarbeiten verrichten, jede darüber hinausgehende Einbeziehung in das Spielgeschehen aber wohlweislich zu vermeiden suchen. Schließlich hat der sprachgewaltige Manni im Trainingslager in Atlanta nicht lange gebraucht, um eine erste, grundlegende Erkenntnis über die für ihn neue Sportart in die treffenden Worte zu fassen: „Ich hätte nie gedacht, daß Dicke so schnell sein können.“