Neues Leben für Bierfabriken

■ Über 30 Brauereien stehen auf der Liste der Denkmalschützer. Sie werden nach dem Umzug der Industrie an den Stadtrand als Hotels, Kinos oder Kneipen wiederbelebt

Die roten Backsteingebäude am Kreuzberg sind ein Stück Industriegeschichte. Bis vor zwei Jahren wurde auf dem weiträumigen Areal noch Schultheiss-Bier gebraut. Jetzt wartet auch dieser Standort des vor dem Zweiten Weltkrieg größten Brauereiunternehmens Europas auf eine neue Zeit. Die Produktion des bekannten Biers wurde in einem modernen Betrieb am Stadtrand in Weißensee konzentriert.

Um die Jahrhundertwende war Berlin erste Bierstadt des Kontinents. Die noch vorhandenen fast 30 Zeugen einer beeindruckenden Industriearchitektur stehen heute unter Denkmalschutz. Als es noch keine Kühlanlagen gab, wurden Hanglagen bevorzugt. So ist es kein Zufall, daß sich Bierbrauer am Kreuzberg und am Prenzlauer Berg niederließen, wo unterirdische Kelleranlagen gut anzulegen waren. Die Standorte sind heute nicht mehr geeignet. „Die Anwohner beschweren sich über Lärm und Geruch“, meint Stephan Hüssen, Geschäftsführer beim Konzern Brau und Brunnen, zu dem Schultheiss gehört.

Spätestens seit der Vereinigung Berlins setzte der Umstrukturierungsprozeß ein. Im Ostteil der Stadt waren viele der zum VEB Getränkekombinat gehörenden Brauereien veraltet und schon zum Teil anders genutzt. So wurde die ehemalige Schultheiss-Brauerei an der Schönhauser Allee im Bezirk Prenzlauer Berg Mitte der sechziger Jahre stillgelegt, ein Möbelmarkt zog ein. Aber schon zu DDR-Zeiten war der „Franz- Club“ in dem von einem markanten Türmchen gezierten Restaurationsgebäude Szenetreffpunkt. Seit 1991 entstand das Veranstaltungszentrum „Kulturbrauerei“.

In Mitte wurde die historische Bergbrauerei als Gewerbehof wiederbelebt. Nach Restaurierung des 1890 erbauten Hauses sorgt jetzt ein Restaurant für Betrieb. Konkrete Pläne gibt es auch für die alte Schultheiss-Patzenhofer Brauerei in Spandau, deren Betrieb 1992 eingestellt wurde. In dem Kellereigebäude soll ein Mittelklassehotel entstehen. Die alte Schultheiss- Melzerei hinter dem Rathaus Pankow soll dagegen ab 1998 als Kino genutzt werden.

Auf das riesige Schultheiss- Areal in Kreuzberg haben die Denkmalschützer selbst ein Auge geworfen. Denkmalschützer Jörg Haspel stellt sich ein Zentrum für Bestandspflege vor. Auch das Landesarchiv hätte genügend Platz. Margret Scholtyssek, dpa