Die richtigen Spendierhosen hat niemand an

■ In Brüssel werden heute und morgen die Gelder für den Wiederaufbau Bosniens verteilt. Die Zusagen reichen nicht. Die bosnischen Serben könnten leer ausgehen

Genf (taz) – Auf Einladung der Weltbank und der EU-Kommission kommen heute und morgen Vertreter von 50 Regierungen aus Europa, Nordamerika, Asien und der islamischen Welt in Brüssel zusammen. Aber die zweite Geberkonferenz für Bosnien seit dem Dayton-Abkommen steht unter keinem guten Stern. Die bisherige Zahlungsbereitschaft der internationalen Gemeinschaft läßt nicht erwarten, daß das Spendenziel von 1,2 Millarden US-Dollar für das Jahr 1996 erreicht wird.

Die meisten westlichen Staaten sagten die ursprünglich angekündigte Teilnahme ihrer Außenminister inzwischen ab. Die bosnischen Serben werden auf der Konferenz wahrscheinlich nicht vertreten sein, weil sie die Bildung einer gemeinsamen Delegation mit der Muslimisch-Kroatischen Föderation ablehnen. Nach Schätzungen von EU und Weltbank werden für die dringendsten Wiederaufbaumaßnahmen in Bosnien bis Ende 1999 5,1 Milliarden US-Dollar benötigt, davon 1,8 Milliarden in diesem Jahr. Ein Drittel dieser Summe wurde auf der ersten Brüsseler Geberkonferenz im Dezember zugesagt. Davon stehen bislang allerdings erst rund 350 Millionen tatsächlich für Wiederaufbaumaßnahmen zur Verfügung.

In Brandbriefen an 38 der 50 Teilnehmerländer forderte der Chefbeauftragte für die Umsetzung der zivilen Teile des Dayton- Abkommens, Carl Bildt, noch einmal „dringend“ die Bereitstellung der 1996 insgesamt benötigten 1,8 Milliarden Dollar. Doch die Aussichten hierfür sind nicht gut. Die EU hat ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Übernahme von 500 Millionen Dollar zwar erklärt, dazu werden in Brüssel noch einige bilaterale Zusagen einzelner EU- Staaten erwartet. Insgesamt dürften damit aber kaum mehr als 600 Millionen Dollar zusammenkommen. Die Clinton-Administration ist laut Kongreßbeschluß daran gebunden, 1996 und in den beiden Folgejahren nur jeweils maximal 200 Millionen Dollar bereitzustellen. Die japanische Regierung will bis Ende 1999 500 Millionen Dollar zahlen. Und Vertreter von 17 islamischen Staaten konnten sich auf ihrer Sitzung in Sarajevo am Mittwoch abend lediglich auf eine allgemeine Bereitschaftserklärung zur finanziellen Hilfe ohne konkrete Zahlen verständigen. Bosniens Premierminister Hasan Muratović hatte die Zusage von 400 Millionen Dollar erbeten. Lediglich die Türkei (80 Millionen) und der Iran (50) machten nach Angaben von Muratović konkrete bilaterale Zusagen.

In seiner Umsetzung gefährdet ist damit auch das Programm „Beschäftigung durch öffentliche Aufträge“, zur der Weltbankpräsident James Wolfensohn die Teilnehmerstaaten der Brüsseler Konferenz heute aufrufen will. Durch ein derartiges, auch von Bildt gefordertes Programm soll laut Wolfensohn „verhindert werden, daß aus der Armee von 250.000 Soldaten, die derzeit aus dem Militärdienst entlassen werden, eine Armee von Arbeitslosen wird“. Nach der Absage von US-Außenminister Warren Christopher entschieden auch die EU-Regierungen, lediglich Delegationen unter der Leitung von Staatssekretären nach Brüssel zu schicken. Die Bonner Delegation aus Vertretern der Bundesministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), Finanzen, Inneres und des Auswärtigen Amtes wird von BMZ-Staatssekretär Wighard Härdtl geleitet.

Nachdem sie mit der Freilassung der letzten Kriegsgefangenen am Mittwoch die Voraussetzungen für eine Teilnahme an der Brüsseler Konferenz erfüllt hatten, stellten die bosnischen Serben in der Nacht zum Donnerstag ihre Teilnahme erneut in Frage. Sie verlangten, in Brüssel nur mit einer eigenständigen bosnisch-serbischen Delegation vertreten zu sein. Bildt bestand jedoch auf einer gemeinsamen bosnischen Delegation aus Serben, Kroaten und Muslimen. Er werde sich in dieser Frage auch nicht auf einen Kompromiß einlassen, erklärte er vor seinem Abflug von Sarajevo nach Brüssel. Eine Nichtteilnahme der Serben hätte zur Folge, daß die serbische Teilrepublik Bosniens bei der Verteilung der Gelder zunächst einmal leer ausgeht. Andreas Zumach