Sanssouci
: Nachschlag

■ Nationaltheater Mann- heim mit Ibsen beim Theatertreffen

Eine gespenstische Höflichkeit herrschte bei der Premiere des dritten Theatertreffengastspiels am Mittwoch im Schiller Theater. Obwohl es zwei Pausen gab, blieben die leeren Plätze zählbar. Nur eine Frau ging türenknallend während der Vorstellung, die anderen dämmerten vor sich hin. Der Applaus am Ende war kurz und kühl, die Buhs beherrscht. Dabei zeigte der 39jährige Gerhard Willert Ibsens „Baumeister Solneß“ in einer „exzentrischen Inszenierung“, wie eine lokale Kritikerin nach der Mannheimer Premiere im März 1995 schrieb. Nun ja – nun nein.

Die Grundidee immerhin ist achtbar. Nicht als Stück über die Angst vor dem Alter versteht Willert diesen „Solneß“, sondern als Stück über die Folgen von Kindesmißbrauch. Das steckt durchaus drin: Die 22jährige Hilde taucht im Hause Solneß auf. Der erfolgreiche Baumeister hatte vor zehn Jahren in ihrem Heimatort einen Kirchturm gebaut und ihr nach dem Richtfest unter den kindlichen Rock geschielt. Damit sie sich küssen ließ, versprach er ihr ein Königreich und wollte sie in zehn Jahren holen kommen. Die sind um, wer nicht kam, war Solneß, und jetzt kommt Hilde ihn holen. Sie becirct ihn, trotz seiner Höhenangst noch einmal ein Baugerüst zu besteigen. Dabei stürzt er ab. Daß es Rache war und nicht der Traum vom Helden, zeigt Sylvana Krappatsch unmißverständlich. Ganz gelassen sitzt sie auf ihrem Stuhl, wenn in der Übersetzung von Heiner Gimmler verkündet wird: „Der ist Matsch.“ Kein schlechter dramaturgischer Ansatz.

Aber auf der Bühne des Schiller Theaters mochte sich vor lauter drögem Manierismus kaum der Vorhang heben. Willert schielt gierig nach Leander Haußmann. Und wie weiland Steffi Kühnert in dessen Weimarer Inszenierung von Ibsens „Nora“ sinnfällig hühnerartig über die Bühne ruckte, so versucht jetzt Sylvana Krappatsch als Hilde den „Waldvogel“ zu geben, oder, besser noch: den Troll. Doch Willert fehlt jegliche Inspiration, Psychologie in Ticks zu gießen. Das gakelt, hüpft und spuckt einfach vor sich hin und stolpert über Möbel. Manchmal werden Satzanfänge gesungen, wegen der experimentellen Sprache. Und ein elektronisches Geblubber begleitet jeden Schritt, der auf der Bühne getan wird. Solneß selbst (Ronald Funke) ist ein ganz Munterer. Er droht mit dem Finger, kann Äpfel in einem Stück schälen und residiert in einem Kreativ-Büro... Es tut einem ganz schön leid, daß diese Inszenierung, die in Mannheim vielleicht gut funktioniert hat, nach Berlin gezerrt wurde. Und um den schönen Mittwoch abend tut es einem auch leid. Petra Kohse

Noch heute, 19.30 Uhr, Schiller Theater, Bismarckstraße 110