Nahrung für Körper und Geist

Zwischen Snackversorgungszentrale, schwuler Anlaufstelle und HERRschaftsfreiem Raum – ein Streifzug durch die selbstverwalteten Cafés, die an jeder Universität zu finden sind  ■ Von Tanja Hamilton

Eigentlich gehört es ja zu einer aussterbenden Gattung, doch im Kreise linksalternativ-bewegter Politologiestudenten an der Freien Universität (FU) erfreut es sich ungebrochener Beliebtheit: Das legendäre Café „Geschwulst“ in der Ihnestraße 22. Ewiger Dorn im Auge der Uni-Leitung und das einzige heute noch besetzte Studentencafé. Hier befindet sich die logistische Zentrale des letzten Rests studentischen Widerstandes an der Freien Universität. Hier werden Streiks, politische Diskussionsveranstaltungen und andere Aktionen organisiert.

Wie die meisten selbstverwalteten Cafés wurde auch das „Geschwulst“ im Streiksemester 1988/89 als studentischer Freiraum bitter erkämpft. Es ist heute jedoch eines der wenigen, das noch einen politischen Anspruch besitzt. Derzeit ist es (wie immer mal wieder) akut räumungsbedroht. „Verträge lehnen wir ab, weil wir somit Verantwortliche mit Namen und Adressen benennen müßten, was persönliche Repressionen nach sich ziehen könnte“, sagt Marc, einer der Organisatoren.

Der jahrelange Kampf zwischen Uni-Leitung und „Geschwulst“ trägt zuweilen pubertäre Züge: So ließ 1994 die ehemalige Dekanin Gesine Schwan die beiden überlebensgroßen, vermummten Gestalten an einer der Innenwände von einem professionellen Maler zensieren: Aus dem klassischen Stein in der Hand wurden zwei versöhnliche Blumen.

Besonders einladend ist der düstere und etwas versiffte Kellerraum indessen nicht, doch geht es den „Geschwulst“-Verwaltern auch primär nicht um den gemütlichen Kaffeeplausch, sondern um „selbstbestimmte HERRschaftsfreie Freiräume“, so der Wortlaut eines Flugblattes. Eine gute Anlaufstelle also für fundamental-oppositionell ambitionierte Menschen, die antiimperialistische Inhalte (oder ähnliches) diskutieren wollen.

Wer politische Kampfrhetorik weniger liebt und bloß eine verläßliche Snackversorgung zwischen den Vorlesungen sucht, der halte sich an das „Sportler-Café“ im ersten Stock des FU-Hauptgebäudes. Hier ist alles generalstabsmäßig koordiniert: Im Gegensatz zum „Geschwulst“ bekommt man hier immer seinen Kaffee. Im Sommer kann man sich auf eine kleine Terrasse setzen, ansonsten ist hier eher Durchgangsstation. Wer allerdings nicht seine ganze Pause in der Schlange verbringen möchte, sollte sein Seminar fünf Minuten vorher verlassen: Das „Sportler-Café“ ist hoch frequentiert.

Das dienstälteste, selbstverwaltete Café an der FU ist der „Rosa Salon – Schwules Café der freien Erotik“ im Hauptgebäude. Diverse Abbildungen unbekleideter Männer über dem Eingang sollen andeuten, wo man sich befindet, doch einen zu offiziellen Beratungscharakter will man vermeiden: „Wir sehen uns in erster Linie als eine Anlaufstelle für Neuberliner Schwule, die erst einmal in einer lockeren Atmosphäre andere Schwule kennenlernen wollen“, sagt Mitbegründer Jörg Schröder.

Der „Rosa Salon“ wurde 1981 gegründet, um Homosexuelle an der Uni sichtbarer zu machen. Der politische Anspruch ist heute etwas zurückgeschraubt und beschränkt sich mehr oder weniger auf das Auslegen von Infoblättern und internationalen Zeitschriften für Schwule. Die Nacktmagazine hat man vor einiger Zeit aber abgeschafft: Sie wurden ständig geklaut.

Das „Krähenfuß“ an der Humboldt-Uni will beides zugleich sein: undogmatischer Treff und politische Infozentrale. Vor drei Jahren erkämpften sich die Gründer das sogenannte „Traditionskabinett“ der Universität: eine fast vergessene, völlig verstaubte Kammer, vollgestopft mit Marxbüsten, Ehrenmedaillen und anderen Relikten aus der HUB-Geschichte. Mittlerweile ist der Raum hell und gemütlich, die selbstgebaute Holztheke hat Designerniveau, und ein nachträglich eingezogenes Podest fungiert bei Lesungen oder Konzerten als Bühne. Sieben Tageszeitungen sowie ein breites Angebot von linksalternativen Veröffentlichungen von der Interim bis hin zu Kleinstpublikationen autonomer Gruppen liegen zum Zwecke der Weiterbildung bereit.

Wer neben Kaffeeschlürfen auch Internet-Surfen möchte, dem empfiehlt sich das „i-café“ im Informatikgebäude der TU. Derzeit wird dort gerade ein Rechner mit Anschluß an das World Wide Web eingerichtet. Der Kaffee kostet nur fünfzig Pfennig statt wie überall sonst eine Mark; BVG- und Stadtplan hängen an der Wand. Rauchern ist das „i-café“ dennoch abzuraten: Von 10 bis 18 Uhr ist hier nikotinfreie Zone.