„Filzfreie Zone“

■ Interview mit Helge Bofinger, Architekt des WBH

taz: Sie hatten – als Preisträger in einem von der Internationalen Bauausstellung durchgeführten, städtebaulichen Wettbewerb für diesen Ort – ursprünglich keine Parteizentrale geplant, sondern ein Gebäude für „normale“ Mischnutzung, also Wohnungen, Dienstleistungen und Läden. Was bedeutet es für Sie, daß nun gerade die SPD zur Bauherrin wurde?

Helge Bofinger: An sich ist die Nutzung durch eine politische Partei im Prinzip nicht bedeutender als irgendeine andere Funktion. Es gibt natürlich gewisse Unterschiede, aber die sind architektonisch nicht sehr relevant. Entscheidend ist vielmehr der Ort in der Stadt. Der ist in der Tat städtebaulich bedeutsam und verlangt eine architektonisch anspruchsvolle Lösung. Es wäre für mich vollkommen undenkbar, an solch einer exponierten Stelle schlichten sozialen Wohnungsbau zu machen – ich will den damit nicht abwerten, aber er gehört hier nicht hin. Man darf nicht vergessen, daß zur Zeit des Wettbewerbs die Mauer noch nicht gefallen und der Bezirk Kreuzberg deshalb, bezogen auf West-Berlin, in eine funktionale Randlage gedrängt war, gegen die ich ein Signal setzen wollte. Jetzt liegt der Bezirk wieder mitten in der Stadt, und dadurch hat dieses Grundstück auch funktional wieder die Bedeutung erlangt, die es städtebaulich schon immer hatte.

Dann ist der Einzug der SPD für Sie aber doch ein echter Glücksfall, denn eine exponiertere Nutzung läßt sich ja wohl kaum denken.

Das kann man sagen. Eine öffentliche oder zumindest quasiöffentliche Nutzung wie die jetzige paßt hier weit besser als irgendeine Bank oder Versicherung.

Glauben Sie, das Gebäude hätte wesentlich anders ausgesehen, wenn die CDU hier eingezogen wäre?

(lacht) Nein, das glaube ich nicht. Vielleicht hätte die CDU andere Vorstellungen von Repräsentation gehabt. Was das angeht, habe ich wohl die Psyche der SPD ganz gut getroffen, nämlich: Repräsentativ ist im Grunde genommen der Raum, die funktionsgerechte Materialauswahl – und nichts weiter. Die CDU hätte womöglich an manchen Stellen auf etwas wertvollere Materialien wert gelegt. Im Endeffekt hätte es aber wohl nicht viel anders ausgesehen, denn die CDU ist ja auch nicht vermögender als die SPD, und bei den Baupreisen in Deutschland wachsen die Bäume eben nicht in den Himmel.

Es gibt kaum eine Parteizentrale, die für ihre Architektur bekannt wäre. Hatten Sie irgendwelche Vorbilder?

Das einzige architektonisch interessante Gebäude dieser Art, daß ich kenne, ist die von Oskar Niemeyer entworfene Zentrale der Kommunistischen Partei Frankreichs in Paris. Aber ein Vorbild benötigt man für eine solche Aufgabe nicht. Architektur ist zunächst einmal neutral. Schlösser werden genutzt als Fürstensitz, als Verwaltungsgebäude oder als Altersheim. Natürlich fragt jeder, und das steckt wohl auch hinter Ihrer Frage, wie sich eine politische Partei architektonisch interpretiert. Dazu kann man nur sagen: Egal, ob Partei oder ein anderer Nutzer, man will sich gewissermaßen auf der Höhe der Zeit repräsentieren. Da gibt es nichts Spezifisches an einer Partei, welcher Art auch immer. Auch die Grünen würden sich kaum ein Feuchtbiotop in die Eingangshalle legen, sondern sie hätten genau die gleichen Probleme, einen guten Ort für Veranstaltungen zu gestalten, wie alle anderen auch.

Sind Sie selbst eigentlich Mitglied der SPD?

Nein, und das hat auch nie eine Rolle gespielt. Dieser Bau ist eine absolut filzfreie Zone.

Interview: Jochen Siemer