Portrait
: Der Untreue

■ Peter-Michael Diestel

Der Rügener Rinderzüchter wurde Rechtsanwalt, der Gründer der Deutschen Sozialen Union (DSU) letzter Innenminister der DDR. Als Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag Brandenburg witterte er lautstark „Fragwürdiges hinter dem Pfarrer“ Gauck, dem Bundesbeauftragten für die Stasi- Unterlagen. Mit PDS-Chef Gysi wetterte er in Talk- Shows gegen das „Plattmachen der Ostdeutschen“. Mit Gysi und Stefan Heym hatte er die „Komitees für Gerechtigkeit“ gegründet, für die Lebensdauer eines Sommers. Als die CDU bei den Landtagswahlen 1993 eine satte Niederlage einfuhr, brauchte er sich diese Jacke nicht anzuziehen. Den Fraktionsvorsitz hatte er schon ein Jahr zuvor seinem Widersacher Ulf Fink übergeben. Er wurde Präsident des Fußballbundesligisten Hansa Rostock.

Angeklagt: Peter-Michael Diestel Foto: Andreas Schoelzel

Jetzt steht Peter-Michael Diestel das Wasser bis zum Hals. Die Staatsanwaltschaft Berlin beschuldigt den 44jährigen der Untreue. Als DDR- Innenminister soll er 1990 seinem Ministerium ein Grundstück abgekauft haben – erheblich unter Wert. Statt 770.000 Mark habe er lediglich 193.000 auf den Tisch gelegt. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist noch nicht entschieden. Diestel ließ gestern verlautbaren, die Anklage sei lediglich Teil einer gezielten Rufmordkampagne. Tatsächlich schwelt der Streit um das Grundstück am Zeuthener See bei Berlin bereits seit vier Jahren; der Bundesgerichtshof erklärte den Kauf bereits 1994 für nichtig.

Kraftsportler Diestel schien die besten Voraussetzungen für eine steile Politikerkarriere mitzubringen. Mit der DDR-Bürgerbewegung hatte er nie etwas im Sinn, aber gleich nach dem Wendeherbst, als andere noch sprachlos waren, forderte er in der ersten Reihe den Anschluß an die Bundesrepublik. Gleich nach Amtsantritt als Innenminister unter Lothar de Maizière geriet er ins Schußfeld der Kritik, besonders aus der ehemaligen Bürgerwegung, als er Ex- Stasi-Bedienstete in sein Ministerium übernahm.

Diestel rechtfertigte sich: Er sei auf „die Loyalität und die Fachkompetenz dieser Leute angewiesen“. Mit 63 Gerichtsverfahren wehrte er sich gegen den Vorwurf, persönlich für das Verschwinden von Stasi-Akten verantwortlich zu sein. Als flotte Stimme aus dem Osten wird Peter- Michael Diestel wohl auch künftig unterhaltsame Schlagzeilen abgeben, zum Verdruß seiner Partei. Hansa Rostock dürfte keinen Schaden nehmen. Detlef Krell