Das Ende einer Zweckehe

■ Südafrikas schwarz-weiße Regierung zerbricht: De Klerks Nationalpartei tritt aus wegen Unzufriedenheit über die neue Verfassung. Präsident Mandela bedankt sich

Kapstadt (taz) – Südafrikas Regierung der Nationalen Einheit ist nur einen Tag nach der Verabschiedung der neuen Verfassung zerbrochen. Die Nationale Partei, geführt vom letzten weißen Präsidenten des Landes, Frederik Willem de Klerk, erklärte gestern mittag in Kapstadt, sie werde die Regierung Ende Juni vorzeitig verlassen. „Der gestrige Tag ist korrekt als der Endpunkt der Geburt unserer Nation bezeichnet worden“, sagte de Klerk. „Unsere Vision ist, eine starke politische Bewegung für eine Mehrparteiendemokratie zu entwickeln.“ Die Partei habe schon länger den Eindruck, daß ihr Einfluß in der Regierung schwinde.

Der Schuldige dafür war bei de Klerk leicht ausgemacht: „Der ANC verhält sich mehr und mehr so, als brauche er keine Mehrparteienregierung mehr.“ Die Entscheidung, so de Klerk, möge aber bitte auch als ein Schritt gesehen werden, der „die junge Demokratie“ reifer werden und sich normalisieren lasse.

Bevor die Entscheidung öffentlich verkündet wurde, informierte de Klerk telefonisch Präsident Nelson Mandela. Dessen Reaktion fiel nicht allzu heftig aus: Er dankte seinem Vizepräsidenten für seinen Beitrag. Der ANC habe die Koalition wie geplant bis 1999 fortsetzen wollen, sei aber sehr zuversichtlich, daß er allein regieren könne. Bereits am Morgen äußerte sich Mandela eher kühl zu einem möglichen Bruch der seit genau zwei Jahren amtierenden Regierung und machte dabei noch einmal deutlich, daß der ANC nach 1999 keine Koalition mehr wolle.

Auslöser für die überraschend schnell getroffene Entscheidung ist ein Passus in Südafrikas erster demokratischer Verfassung, demzufolge in der 1999 fälligen nächsten Legislaturperiode keine Koalitionsregierung mehr verbindlich ist, wenn eine Partei die absolute Mehrheit erreicht. In der jetzt noch gültigen Übergangsverfassung vom Dezember 1993 ist vorgeschrieben, daß alle Parteien mit mindestens zehn Prozent der Stimmen in einer „Regierung der Nationalen Einheit“ sitzen müssen. Bei den ersten demokratischen Parlamentswahlen im April 1994 kam der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) auf 62,6 Prozent der Stimmen, die Nationale Partei auf 20,4 und die Inkatha-Freiheitspartei unter dem heutigen Innenminister Mangosuthu Buthelezi auf 10,5 Prozent. Alle drei bildeten am 10. Mai 1994 eine gemeinsame Regierung, die jedoch schon seit längerer Zeit unter erheblichen Spannungen litt. Es kann als sicher gelten, daß der ANC die nächsten Wahlen 1999 haushoch gewinnt und dann allein regieren wird.

Schon in seiner Rede vor der Nationalversammlung anläßlich der Verfassungsverabschiedung am Mittwoch hatte de Klerk scharfe Kritik an der neuen Regelung geübt. Südafrika werde einen hohen Preis für die Herrschaft der Mehrheit zahlen. Zugleich kündigte er an, die Parteigremien würden in der kommenden Woche über die Auswirkungen beraten. Am Abend äußerte sich de Klerk etwas deutlicher und erklärte, in der Partei habe es schon seit Tagen Diskussionen um einen Austritt aus der Regierung gegeben. „Es ist nur eine logische Konsequenz, wenn wir jetzt darüber nachdenken.“

Im Hintergrund der Entscheidung steht auch die desolate Lage der NP. Die Partei, die in Südafrika die strikte Rassentrennung einführte und 1948 bis 1994 allein regierte, liegt heute organisatorisch völlig am Boden; wie viele Mitglieder sie noch hat, vermag nicht einmal die Parteizentrale in Pretoria zu sagen. Auch ihre politische Rolle im „neuen Südafrika“ ist nicht geklärt: einerseits an der Macht, andererseits Oppositionspartei zum ANC. Um sie neu zu strukturieren, verpaßte ihr Parteichef de Klerk vor wenigen Monaten erstmals einen Generalsekretär in der Person des als sehr kompetent geltenden Roelf Meyer, der dafür bereits aus der Regierung ausschied. Kordula Doerfler

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