: Halber Tag im Haas-Prozeß
■ Zweite Auflage im Prozeß wegen Waffenschmuggels für die Entführung der Passagiermaschine „Landshut“
Frankfurt (taz) – Auffallend ruhig begann gestern in zweiter Auflage der Prozeß gegen Monika Haas vor dem 5. Strafsenat des Frankfurter Oberlandesgerichts. Von den martialischen Sicherheitsvorkehrungen der ersten Verhandlung zu Jahresbeginn, die wegen Krankheit der Angeklagten hatte abgebrochen werden müssen, keine Spur. Die Frau, die beschuldigt wird, im Herbst 1977 Waffen für die Entführung der Passagiermaschine „Landshut“ nach Mallorca geschmuggelt zu haben, hatte sich schon damals vehement gegen den Vorwurf gewehrt.
Verteidiger Armin Golzem sorgte dann für fast skandalöse Reaktionen hinter dem Richtertisch, als er einen Befangenheitsantrag gegen Beisitzer Karl-Heinz Zeyer stellte. Der habe einem Bekannten gegenüber gesagt, die Akten gegen die Angeklagte reichten zur Verurteilung völlig aus. „Damit kriegen wir sie“, zitierte er wörtlich. Dieser Bekannte wiederum erzählte dies brühwarm dem Verteidiger, als er ihn einige Tage später in einem Weinlokal traf. Dieser Vorgang, so Golzem, widerspreche allen Regeln der Rechtsstaatlichkeit: „Aktengläubigkeit führt zu Realitätsblindheit.“ Außerdem verletze sie das Unmittelbarkeitsprinzip der mündlichen Hauptverhandlung, bei dem das Gericht sich „Auge in Auge berichten lassen“ müsse.
Eine solche Auge-in-Auge- Konfrontation verlangte er auch mit der Hauptbelastungszeugin gegen Haas, der Palästinenserin Souhaila Andrawes. Sie war eine der Flugzeugentführerinnen und steht deshalb derzeit in Hamburg vor Gericht. Sie hatte Monika Haas in der Hoffnung auf Straferlaß durch die Kronzeugenregelung belastet, diese Aussage später aber wieder zurückgezogen. Ihre Vernehmung sah der Terminplan des Gerichts jedenfalls bis zur Sommerpause nicht vor. Um so skandalöser, fand Golzem, sei die Äußerung des Richters zu werten. Die Akten nämlich, monierte er, bestehen vorwiegend aus einem Sammelsurium, das die Stasi über Monika Haas und ihren Ehemann, den Palästinenserführer Zaki Helou, zusammengetragen hatte.
Richter Zeyer wehrte sich gegen den Vorwurf der Befangenheit. Er betonte, Andrawes habe ihre Aussage nicht zurückgezogen, sondern die Zeugin wolle sie nur nicht wiederholen. Das, forderte dann auch Rechtsanwalt Bendler, „möchte ich von ihr selbst und diesem Verfahren hören. Und zwar sofort.“ Der Schlagabtausch zwischen der Angeklagten und der Bundesanwaltschaft geriet heftiger als im ersten Verfahren. Haas beteuerte wiederum, daß sie weder Waffen geliefert, noch je auf Mallorca gewesen sei. Bundesanwalt Homann warf ihr „Kühle, Gelassenheit und Unverfrorenheit“ vor.
Richter Schieferstein geriet aus der Façon, als der Verteidiger verlangte, das Verfahren „schnell und konzentriert“ durchzuführen und nicht auf zwei halbe Tage in der Woche zu begrenzen. Das Gericht sei überlastet, so Schieferstein, da an den beiden vorgesehenen Wochentagen jeweils auch gegen das RAF-Mitglied Birgit Hogefeld verhandelt werde.
Haas: „Besteht die Woche denn nur aus Dienstag und Donnerstag?“ Haas, so Schieferstein, habe selbst verzögert, weil sie sich nach einem doppelten Bandscheibenvorfall geweigert hatte, sich in das Gefängniskrankenhaus Kassel verlegen zu lassen. Das Gefängnispersonal hatte es daraufhin abgelehnt, sie mit Gewalt dorthin zu transportieren. Er kreidete ihr an, daß sie auch nicht gefesselt in einer Arztpraxis vorgeführt werden wollte. Haas: „Ich lasse mich nicht in der Öffentlichkeit als Schwerverbrecherin vorführen.“ Schieferstein: „Sie wollen immer eine Sonderbehandlung!“ Haas, die auch diesmal wieder gefesselt in das Gericht gebracht worden war: „Ich habe eine Sonderbehandlung!“ Heide Platen
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