■ Nachschlag
: „Exegetiker, exit“: Stipendiaten lasen im Literischen Colloquium

Mehr Publikum hätte man den beiden Stipendiaten am Literarischen Colloquium, Thomas Gruber und Klaus Händl, gewünscht, die am Donnerstag abend im LCB aus ihren Texten lasen. Thomas Gruber ist Jahrgang 1960, kommt aus der Doppelstadt Ludwigshafen/Mannheim, wo er studiert und bereits während des Studiums am Theater gearbeitet hat. Zwischen 1990 und 1995 war Gruber als Lektor für deutsche Sprache in London tätig. So etwas kann man nicht machen, ohne um das phonetische und grammatikalische Gerüst der eigenen Sprache zu wissen. Und davon profitieren Grubers Texte. Er las unveröffentlichte Gedichte, sämtlich Variationen zum Thema „blau“. Eines, das Friedericke Mayröcker gewidmet ist, endet mit den Versen: „(...) was ich sehn kann / sind fransen, im innerstn, ausgefranster / nämlich schattn eines stillgelegtn mokassins / nebn wachsweicher squaw; oder angeschweißte / diademe samt absturzempfehlung; auf por, styro / porplattn landn & ausufern! auf-/ fliegn!! nach eingeflößtm MARBLE INDEX...“ Mit seinen Sprachinstallationen steht Gruber in der Tradition der Wiener Schule um Jandl und Mayröcker. Im Gespräch fällt auch der Name des „professionellen Anagrammisten“ (Gruber) Oskar Pastior. Slang, fremdsprachige Versatzstücke und phonetische Schreibweise gehören zum Inventar seiner Stilmittel. Gruber: „Der lyrische Text spricht nicht für sich selbst, sondern muß zum Sprechen gebracht werden.“

Die Beziehung zum Theater haben Huber und Klaus Händl (Jahrgang 1969) gemein. Händl, der schon mit neun Jahren seine ersten Geschichten schrieb, stammt aus Innsbruck, zog nach der Matura nach Wien um und arbeitet dort seit 1991 als Schauspieler. Für seinen Band mit 35 kleinen Erzählungen erhielt er im letzten Jahr zwei Literaturpreise, am Donnerstag las er einige „Legenden“ (er setzt das Wort vorsichtig in Klammern) aus diesem Band. Händl verortet seine Geschichten im archaisch-ländlichen Milieu und spielt mit Parabeln und den Handlungsmustern von Märchen. Seine Selbstbeschränkung auf Kurzprosa tut Händl gut. Dort, wo er die Geschichten seiner Kindheit fortschreibt, aber auch in den kurzen, dichten Texten, in denen Vorstellungswelt und Sprache der Bibel anklingen, findet er seinen Ton. Mit der Geschichte eines gemeinsamen Bootsausfluges auf der Donau, die sich stellenweise wie ein Tucholsky-Rheinsberg-Verschnitt anhörte, hat er sich und dem Publikum keinen guten Dienst erwiesen. Für beide, Gruber und Händl, gilt gleichermaßen: Interpreten sind fehl am Platze. Oder, um es mit den Worten von Gruber zu sagen: „Exegetiker, exit.“ Peter Walther