Geschickt abgelenkt

Das Wort Vertrag hört sich gut an. Der Staat einigt sich mit gesellschaftlichen Gruppen darauf, daß diese in Eigenregie Geld an soziale Projekte verteilen. Das klingt nach Autonomie, nach Effizienz fernab staatlicher Bürokratie. Doch der „Vertrag über die Verwaltung von Zuwendungsmitteln“ mit den Wohlfahrtsverbänden ist ein Schildbürgerstreich. Sozialstaatssekretärin Verena Butalikakis (CDU) ist es gelungen, Wohlfahrtsverbände wie die Caritas an die Kette zu legen.

Der Senat degradiert sie zu seinen Handlangern, indem er ihnen vertraglich aufträgt, von den „Leistungsempfängern“ Kostenbeteiligung zu verlangen. Das sind, wohlgemerkt: Behinderte, Alte, Drogenabhängige, Obdachlose. Auf der anderen Seite will die Staatssekretärin wiederum ihre Beamten nicht nach Hause schicken, die bisher die Zuwendungsbescheide bearbeitet hatten. Das muß man sich vorstellen: Alle Welt ruft nach dem schlanken Staat. Ausgerechnet das bankrotte Berlin aber entlastet seine Verwaltung – und erhebt die überflüssig gewordenen Bürokraten zu Zuchtmeistern der sozialen Arbeit.

Die Wohlfahrtsverbände zahlen für diesen Vertrag einen hohen Preis. Für die Garantie, bis 1999 keine Kürzungen mehr erdulden zu müssen, halten sie fortan den Schwarzen Peter in der Hand. Sie müssen dramatisch gekürzte Zuwendungsgelder verteilen. Diese Sparpolitik gegen die Schwächsten der Gesellschaft wird zweifelsohne Proteste hervorrufen. Und die haben künftig einen neuen Adressaten: die Wohlfahrtsverbände. Christian Füller

Bericht auf Seite 22