■ Mit Umweltstatistiken auf du und du
: Private Umweltsäue

Berlin (taz) – Der Wert eines Rotkehlchens oder von sauberer Luft läßt sich auch weiterhin nicht in D-Mark ausdrücken. Deswegen läßt sich ein Ökosozialprodukt – Bruttosozialprodukt abzüglich des Natur- und Umweltverbrauchs – auch so schwer berechnen. Und deswegen bemüht sich das Statistische Bundesamt statt dessen seit 1990 um eine „umweltökonomische Gesamtrechnung“ als Ergänzung zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Umfassende Ergebnisse wurden gestern erstmals vorgestellt.

Wesentliches Ergebnis: Zwar wuchs die Umweltbelastung seit 1960 deutlich langsamer als die wirtschaftliche Leistung – so wurden je 1.000 Mark Bruttoinlandsprodukt 1960 noch 568 Kilogramm Luftschadstoffe emittiert und 1990 lediglich 293 Kilo. Aber wegen des enormen Wirtschaftswachstums ist die absolute Umweltbelastung dramatisch gestiegen. Die Emission von Luftschadstoffen, vor allem CO2, hat zwischen 1960 und 1993 um 30 Prozent zugenommen, der Müll um 45 Prozent, die Rohstoffentnahme um 65 Prozent und der Primärenergieverbrauch gar um 85 Prozent.

Jeder Einwohner verbraucht im Schnitt 42 Prozent mehr Siedlungs- und Verkehrsfläche als 1960 und legt 240 Prozent mehr Kilometer mit dem Auto zurück. Bei den kumulierten Emissionen – das sind die direkten Emissionen zuzüglich der Emissionen aus den Vorleistungen, also etwa bei der Erzeugung des privat verbrauchten Stroms – liegt bei allen Schadstoffen der private Konsum zwischen 50 und 75 Prozent.

Bei den Branchen stehen an oberster Stelle Stromerzeugung und Verkehr, die vor allem CO2, Schwefeldioxid und Stickoxide freisetzen; auch die energieintensiven Sektoren wie Stahl und Chemie gehören zu den Umweltsäuen. Die neuen Bundesländer stehen – außer beim Abfallaufkommen – auf die Zahl der Einwohner bezogen etwas besser da als die alten. Allerdings ist im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung ihre Umweltbilanz deutlich schlechter.

Wann die Statistiker die Gesamtrechung wie geplant mit Umweltindikatoren, Umweltschutzmaßnahmen, sowie den Vermeidungskosten anreichern, darüber wagen sie selbst keine Prognose. Nicola Liebert