Bezirke sollen für Toiletten zahlen

■ Weil der Senat der Stadtreinigung vierzehn Millionen Mark Zuschüsse für die Reinigung öffentlicher Toiletten strich, sollen jetzt die Bezirke zahlen. Anlagen werden möglicherweise geschlossen

Nicht nur bei der BVG-Sozialkarte, auch bei den Reinigungskosten für öffentliche Toiletten geht der Sparkurs des Senats auf Kosten der Bezirke. Nachdem der Stadtreinigung BSR die jährlichen Landeszuschüsse für die Reinigung der Toiletten von 19 Millionen auf fünf Millionen Mark verringert wurden, will die BSR jetzt die Bezirke zur Kasse bitten.

„Wir sind seit April in den roten Zahlen“, sagte BSR-Sprecherin Sabine Thümler gestern. „Wir können keine Dienstleistung erbringen, die nicht bezahlt wird.“ Doch auch die Bezirke sehen sich nicht in der Lage, die Kosten zu übernehmen. 54.000 Mark kostet die tägliche Reinigung einer Toilette pro Jahr. Hat ein Bezirk zehn Häuschen, belaufen sich die jährlichen Kosten auf über eine halbe Mio. Mark. „Das müßte ich aus dem Etat für die Unterhaltung von Straßenland finanzieren“, sagt Reinickendorfs Tiefbauamtsleiterin Marion Schwarz. „Das kann ich nicht verantworten.“

Stadtweit reinigt die BSR derzeit 230 Toilettenhäuschen. Weitere 55 Toiletten werden von der Firma Wall betrieben. Das Unternehmen sollte bis Ende 1995 im Auftrag des Senats insgesamt 111 High-Tech-Toiletten aufstellen. Dafür sollte eine entsprechende Zahl von Altanlagen abgerissen werden. Durch die wegfallenden Reinigungskosten für die von Wall betriebenen Häuschen wollte der Senat jährlich vierzehn Millionen Mark einsparen. Dies wiederum hält die Stadtreinigung für eine unrealistische Erwartung. „Die Wall- Toiletten sind ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt BSR-Sprecherin Thümler.

Daß die vereinbarte Aufstellung nicht gelang, liegt nach Ansicht von Firmenchef Hans Wall vor allem an bürokratischen Hürden. Im Gegenzug für die kostenlose Installation einer Wall-Toilette muß der Bezirk elf Werbeflächen bereitstellen. Die Einigung über die Standorte für die Plakattafeln laufe nach Angaben Walls zuweilen recht zäh. „Wir wollen schließlich nicht den ganzen Bezirk mit Werbung zupflastern“, wendet die Reinickendorfer Bürgermeisterin Marlies Wanjura (CDU) ein.

Derzeit verhandelt die Stadtreinigung mit den Bezirken über die Kostenübernahme der Reinigung für die Toilettenhäuser. Die BSR schlägt zugleich vor, wenig frequentierte Anlagen ganz zu schließen. Wegen der Komplikationen hat sich jetzt auch die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe eingeschaltet. Den Bezirken attestiert Marco Hardt, der Sprecher des Wirtschaftssenators „fehlendes Problembewußtsein“. Sie müßten „naturgemäß“ für die Toiletten aufkommen.

Daß die Hauptverwaltung den Bezirken gerne Kosten zuschiebt, aber Gewinne für sich behält, zeigt das Beispiel der Recycling-Container: Der Senat kassiert für die Bezirke die Gebühren für die Nutzung des Straßenlands. Dieses Geld steht eigentlich den Bezirken zu. Die eingegangenen 9,1 Millionen Mark für 1995 verbuchte jedoch die Senatsverwaltung für Umwelt kurzerhand als eigenen „Sparbeitrag“. Dorothee Winden