Kahlschlag beim Datenschutz

Aus dem Polizeigesetz Niedersachsens sollen zwei Drittel aller datenschutzrechtlichen Bestimmungen gestrichen werden. Angeblich handele es sich um überflüssige Vorschriften  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Hannover (taz) – „Ohne hinreichenden Grund sollen hier Freiheitsrechte der Büger abgebaut werden.“ Mit diesen Worten kritisierte gestern der niedersächsische Datenschutzbeauftragte, Gerhard Dronsch, ein Gesetzesvorhaben von Landesinnenminister Gerhard Glogowski (SPD), mit dem aus dem Polizeigesetz des Landes, dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz, der größte Teil der datenschutzrechtlichen Bestimmungen gestrichen werden soll.

Nach Angaben von Dronsch will ein vom Innenminister angekündigter, aber bisher nicht veröffentlichter Gesetzentwurf „zwei Drittel aller Regelungen abschaffen, die die Niedersachsen bisher vor ungerechtfertigten Eingriffen der Polizei in ihre Privatsphäre schützen oder ihnen die rechtliche Überprüfung von Eingriffen ermöglichen“. Für den Datenschutzbeauftragen steht das sozialdemokratische Gesetzesvorhaben im klaren Widerspruch zum Urteil des Verfassunsgerichtshofes des Landes Sachsen, der am 14. Mai das sächsische Polizeigesetz wegen gravierender Mängel beim Datenschutz für teils verfassungswidrig erklärt hatte. Geklagt hatte in Sachsen pikanterweise die SPD- Landtagsfraktion.

Genau die Datenschutzregelungen, die die niedersächsische SPD abschaffen will, müssen nach dem Urteil aus Sachsen in das dortige Polizeigesetz jetzt aufgenommen werden. Abschaffen wollen die Sozialdemokraten Niedersachsens etwa die Pflicht der Polizei, im nachhinein Bürger zu unterrichten, gegen die heimlich oder verdeckt ermittelt wurde. Da die Betroffen dann von ergebnislosen, heimlichen Polizeiaktionen gar nichts mehr erfahren, können sie etwa einen Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel auch nicht mehr rechtlich überprüfen lassen.

Entfallen soll in Niedersachsen beim Einsatz von Wanzen oder Richtmikrophonen durch die Polizei auch die Genehmigung durch einen Richter. Künftig soll die Polizei selbst solche Lauschangriffe genehmigen. Gestrichen sehen will Landesinnenminister Glogowski auch die Pflicht, Daten, die die Polizei über sogenannte „unbeteiligte Dritte“ erhebt, unverzüglich nach Abschluß eines Vorgangs zu löschen. Bis zu fünf Jahren soll die Polizei künftig Daten der Bekannten oder zufälliger Kontaktpersonen von Verdächtigen speichern dürfen.

Begründet wird der geplante Kahlschlag beim polizeilichen Datenschutz offiziell mit dem Bestreben nach „Deregulierung“ überflüssiger Vorschriften. Intern hieß es allerdings gegenüber dem Datenschutzbeauftragten, man wolle der durch Großeinsätze gestreßten niedersächsischen Polizei „auch mal eine Freude machen“.