SS-Offizier darf Doktor bleiben

■ Der Obersturmführer Schneider, der als Hans Schwerte in Erlangen 1948 promovierte, behält seinen akademischen Titel

Erlangen (taz) – „Die Entziehung des Doktorgrades ist aus heutiger Sicht nicht zu vertreten.“ Einstimmig lehnte der Promotionsausschuß der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) es ab, dem nach dem Krieg unter dem Namen „Hans Schwerte“ auftretenden ehemaligen SS-Obersturmführer Hans- Ernst Schneider den 1948 in Erlangen erworbenen Doktortitel abzuerkennen.

„Weder vor noch nach seiner Promotion“ an der FAU seien dem Germanisten, der es bis zum Rektor der Technischen Hochschule in Aachen gebracht hatte, Tatsachen nachgewiesen worden, die einen solchen Schritt rechtfertigen könnten. Die Täuschung mit dem falschen Namen und einem geschönten Lebenslauf sei zudem „längst verjährt“.

Helmut Neuhaus, Vorsitzender des Promotionsausschusses der Philosophischen Fakultät der FAU erklärte, daß man im Fall Schneider/Schwerte ausschließlich nach juristischen Kategorien geurteilt habe: „Die politisch begründeten Entziehungen von akademischen Graden im Dritten Reich sollten für heute eine Lehre sein.“ FAU-Rektor Gotthard Jasper verteidigte die umstrittene Entscheidung damit, daß eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit nicht durch „einen pseudosymbolischen Akt wie den Entzug einer Promotion“ geführt werden dürfe.

Am 18. Dezember 1948 legte ein „Hans Schwerte“ aus Hildesheim an der FAU seine mündliche Doktorprüfung ab. In seinem vorgelegten Lebenslauf verwies er darauf, daß er „1933 sein Studium abgebrochen“ habe, „im Buchhandel tätig gewesen“ sei und „von 1939 bis 1945 im Wehrdienst“ gestanden habe. Im Frühjahr letzten Jahres kam es ans Tageslicht, daß „Hans Schwerte“ in Wirklichkeit der SS-Hauptsturmführer Dr. Hans-Ernst Schneider war, der es bis zum Leiter des „germanistischen Wissenschaftseinsatzes in der SS-Organisation ,Ahnenerbe‘“ gebracht hatte. 1945 ließ sich Schneider für tot erklären, nahm die Identität des „Hans Schwerte“ an, heiratete seine „Witwe“ und habilitierte auch in Erlangen. 1965 erhielt der als linksliberal eingestufte Professor einen Ruf nach Aachen. 85jährig holte ihn seine Vergangenheit wieder ein. Nordrhein-Westfalen stoppte seine Pension, Bundespräsident Herzog entzog ihm das Bundesverdienstkreuz und die FAU hatte einen Fall „Schneider/Schwerte“.

Obwohl in der Promotionsordnung eindeutig festgelegt ist, daß bei einem sich nachträglich als falsch herausstellenden Lebenslauf die Promotion zu entziehen sei, pochte der Promotionsausschuß darauf, daß die Täschung über Lebenslauf und Name „nachgeordnet“ zu beurteilen sei. Schneider/Schwerte habe den Doktor schließlich „nicht durch Täuschung über seine Prüfungsleistungen erworben“. Ob ihm sein Titel entzogen worden wäre, wenn die Fakten schon kurz nach 1948 bekannt geworden wäre, bezweifelt der Ausschuß angesichts des „Umgangs mit der Vergangenheit NS-belasteter Wissenschaftler“ nach dem Krieg. Zudem sei gegen Schneider strafrechtlich bislang kein Urteil ergangen und auch ein damals eventuell aberkannter Doktortitel wäre ihm gemäß des Resozialisierungsgedankens längst wieder zuerkannt worden. Bernd Siegler